Jesus der Akrobat?

Einleitung
Im Lexikon der biblischen Irrtümer wird unter der Überschrift „Esel: Ein biblisches Märchen und Jesu Ritt auf zwei Eseln“ ein schon oft angebrachter angeblicher Widerspruch in der Bibel geschildert. Er bezieht sich darauf, dass Lukas, Markus und Johannes beim Einzug von Jesus in Jerusalem nur einen Esel erwähnen. Matthäus dagegen berichtet von zwei Eseln und es würde behauptet Jesus sei auf beiden gleichzeitig nach Jerusalem geritten. Im Folgenden soll untersucht werden, ob es sich wirklich um einen unlösbaren Widerspruch handelt.

Wieviele Esel waren es?
Bei Markus lesen wir:

2 Er sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; gleich wenn ihr hineinkommt, werdet ihr einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los, und bringt ihn her! (…) Da machten sie sich auf den Weg und fanden außen an einer Tür an der Straße einen jungen Esel angebunden und sie banden ihn los. (…) 7 Sie brachten den jungen Esel zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier und er setzte sich darauf.
Markus 11:2,4,7

Bei Lukas heißt es in der entsprechenden Stelle:

30 und sagte: Geht in das Dorf, das vor uns liegt. Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr dort einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los und bringt ihn her! (…) 33 Als sie den jungen Esel losbanden (…) 35 Dann führten sie ihn zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier und halfen Jesus hinauf.
Lukas 19:30

und bei Johannes dagegen schlicht:

14 Jesus fand einen jungen Esel und setzte sich darauf
Johannes 12:14

Bei Johannes fällt bereits ein deutlicher Unterschied zu Markus und Lukas auf, da die Szene dort deutlich knapper geschildert wird. Dies zeigt einmal mehr, dass die Evangelien verschiedene Ziele verfolgen und daher verschiedenen Stationen in Jesu leben unterschiedlich viel Gewicht verleihen. Nur weil Johannes nicht schildert, wie Jesu Jünger den Esel zu ihm bringen, heißt dies weder, dass er es nicht gewusst hat, noch dass sie es nicht getan haben. Die drei Evangelien sind sich also darin einig, dass Jesus auf einem Eselfohlen reitend nach Jerusalem einzog. Betrachten wir nun die entsprechende Stelle im Matthäusevangelium:

2 und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und bringt sie zu mir! (…) 6 Die Jünger gingen und taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte. 7 Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf.
Matthäus 21:2

Matthäus spricht also tatsächlich von zwei Eseln. Widerspricht er damit also den anderen drei? Nein tut er nicht. Lukas, Markus und Johannes erwähnen zwar je nur einen Esel, schließen aber zu keinem Zeitpunkt aus, dass auch ein weiterer Esel anwesend war. Auf derartiges Vorgehen trifft man des Öfteren beim Lesen der Bibel. Ein schönes Beispiel ist der Bericht über die Auferstehung Jesu nach dem Johannesevanglium. Dort liest man zu Beginn:

1 Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
Johannes 21:1

Man kann hier nach dem Lesen dieser Stelle schlussfolgern, dass Maria allein zum Grab gegangen sei. Doch dass dieser Schluss falsch ist zeigt sich bereits einen Vers später:

2 Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat.
Johannes 21:2

Johannes ist sich also von Anfang an bewusst, dass es nicht nur Maria war, die zum Grab ging, sondern dass sie Begleiterinnen dabei hatte. Durch seine Formulierung wird Maria besonders hervorgehoben und ihre Bedeutung für die folgenden Geschehnisse betont.

Die anderen Evangelien sagen dagegen gleich ausdrücklich, dass mehrere Frauen am Grab gewesen sind:

1 Am ersten Tag der Woche gingen die Frauen mit den wohlriechenden Salben, die sie zubereitet hatten, in aller Frühe zum Grab.
Lukas 24:1

Aber es liegt eben dennoch kein Widerspruch vor. Genauso verhält es sich mit den Eseln. Das Fohlen ist das wichtige Objekt für die folgenden Ereignisse und wird daher von Lukas, Markus und Johannes dadurch hervorgehoben, dass es als einziger Esel erwähnt wird. Matthäus dagegen ergänzt die Informationen der anderen drei, indem er berichtet, dass auch die Mutter des Fohlens dabei war.

Zusammenfassend für diesen Abschnitt kann also gesagt werden, dass beim Einzug von Jesus in Jerusalem zwei Esel anwesend waren. Ein Fohlen und dessen Mutter.

Warum wurden zwei Esel mitgenommen?
Wieso machten sich dann die Jünger die Mühe gleich zwei Esel zu holen, wo Jesus, doch nur vorhatte auf einem der beiden zu reiten? Die Antwort kann nur vermutet werden, aber die Evangelien legen eine bestimmte Schlussfolgerung nahe: Lukas und Markus sind sich darin einig, dass das Fohlen eines war, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Es handelte sich also um ein sehr junges Tier. Von daher kann man vermuten, dass es noch sehr an seiner Mutter hing und man ihm nicht zumuten wollte es (erstmals?) von ihr zu trennen. Des weiteren berichtet Lukas:

37 Als er an die Stelle kam, wo der Weg vom Ölberg hinabführt, begannen alle Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Wundertaten, die sie erlebt hatten.
Lukas 19:37

und Markus schildert:

8 Und viele breiteten ihre Kleider auf der Straße aus; andere rissen auf den Feldern Zweige (von den Büschen) ab und streuten sie auf den Weg.
Markus 11:8

Beim Einzug waren also viele Leute anwesend und es ging wohl auch nicht grad ruhig zu. Diese Situation muss sehr ungewohnt, vielleicht sogar angstauslösend, für das Fohlen gewesen sein. Die Anwesenheit seiner Mutter machte es ihm viel einfacher sich an diese neue Situation zu gewöhnen und nicht in Panik zu verfallen. Ein zweiter Esel beim Einzug ist daher kein „Wunschkonstrukt“ sondern eher eine nahe liegende Begebenheit.

Ritt Jesus auf zwei Eseln gleichzeitig?
Hier muss dem Lexikon der biblischen Irrtümer in einer Aussage zugestimmt werden:

Niemand kann auf zwei Eseln gleichzeitig sitzen, geschweige denn reiten (S. 210)

Anzunehmen, dass Jesus derartiges unternommen hätte ist absurd. Doch behauptet dies Matthäus wirklich?

7 Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf.
Matthäus 21:7

Dieser Satz lässt zwar die Interpetation zu, dass Jesus auf beiden Eseln gleichzeitig saß, doch wie erwähnt ist ein derartiges Kunststück sowohl nach heutigen Maßstäben als auch vor 2000 Jahren absurd. Der reflexive Teil er setzte sich darauf lässt sich genauso gut auch auf die Kleider beziehen, die auf die Esel gelegt wurden. Im Deutschen lässt sich argumentieren, dass auch Lukas und Johannes die Formulierung benutzen setzte sich darauf und sich dies hierbei ziemlich sicher auf den Esel bezieht. Doch in der griechischen Fassung unterscheidet sich der Satzbau hierbei zwischen Matthäus und den anderen. Wörtlicher übersetzt lautet die Passage bei Matthäus:

brachten den Esel, und das Fohlen, und legten auf sie ihre Kleider; er setzte sich darauf
(vgl. „Word Pictures in the New Testament“, A. T. Robertson, 2000, S. 167f)

Diese Übersetzung legt nahe, dass sich das darauf auf die Kleider und nicht auf die Esel bezieht. Nun stellt sich noch die Frage, warum auf beide Esel Kleider gelegt wurden, wenn Jesus nur auf dem Fohlen geritten sein soll. Die Antwort liegt in der Tatsache begründet, warum die Kleider auf die Reittiere gelegt wurden. Es ging dabei nicht primär darum es dem Reiter bequem zu machen, sondern ihm Ehre zu erweisen (vlg. „Matthew“, William Foxwell Albright and C.S. Mann, 1995, S. 252). Moderne Beispiele lassen sich zu Genüge finden. Wenn eine wichtige Person von einer Parade bzw. einem Zug begleitet wird, so sind die Teilnehmer daran (ob jetzt Menschen oder Tiere) stets herausgeputzt, um die Wichtigkeit der begleiteten Person hervorzuheben. Damals zog der Messias feierlich in Jerusalem ein. Die Mittel der Jünger waren gegrenzt. Somit blieb ihnen nicht viel anderes über, als zumindest die Begleittiere des Zuges so gut wie möglich zu verzieren, also die besten auffindbaren Kleidungsstücke auf sie zu legen. Matthäus sagt also nie direkt aus auf welchen Esel sich Jesus setzte. Die Antwort darauf finden wir aber bei Markus, Lukas und Johannes.

Matthäus der unfähige Schriftsteller?
Woher kommen eigentlich die Behauptungen, Matthäus hätte Jesu den akrobatischen Ritt auf zwei Eseln angedichtet? Man behauptet Matthäus hätte folgende Stelle aus dem Propheten Sacharja falsch übersetzt:

9 Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin.
Sacharja 9,9

zu

5 Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.
Matthäus 21:5

Da er so zwei Esel in der Prophezeiung vorfand musste er die Geschichte so umdichten, dass Jesus auf beiden ritt, um das Schriftwort zu erfüllen. Die griechische Übersetzung, welche zur obigen Deutschen führt, orientiert sich enger am hebräischen Text. Die obige Satzkonstruktion besagt im Hebräischen allerdings nicht aus, dass auf zwei Eseln geritten wird. Es handelt sich um das Stilmittel des Parallelismus membrorum bei dem eine Aussage mit einer leichten Abwandlung noch einmal wiederholt wird. So eben hier: reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen und die abgewandelte Wiederholung: dem Jungen einer Eselin. Matthäus soll dies so verwirrt haben, dass er zwei Esel als Reittiere angibt? Hierzu fand ich eine sehr treffende Aussage:

Die Geschichte mit den beiden Eseln ist übrigens ein klassisches Beispiel dafür, wie ein Evangelist von der historisch-kritischen Forschung schlicht für dumm erklärt wird. Er soll angeblich nicht in der Lage gewesen sein, einen “Parallelismus membrorum” richtig zu verstehen (…) Man muß sich jedoch klar machen, daß der “Parallelismus membrorum” die einfachste und geläufigste Form hebräischer Dichtkunst ist (…) und einen solchen “Parallelismus membrorum” sollte Matthäus nicht richtig erkannt haben? Man sollte für den vermeintlichen Irrtum eines Evangelisten eine intelligentere Erklärung suchen! – abgesehen davon, daß es sachliche Argumente gibt, die dafür sprechen, daß Matthäus mit den zwei Eseln durchaus im Recht ist.
„Die Auferstehung Jesu Chrisi von den Toten“, Kapitel 3

Nur um Widersprüche in der Bibel zu finden traut man Matthäus derart naive Gedanken zu, dass ein Mensch irgendwie auf zwei Eseln balanciert um nach Jerusalem einzuziehen. Auch den Menschen vor 2000 Jahren war die Absurdität derartiger Vorstellungen bewusst und somit auch Matthäus. Vielleicht war sie ihnen sogar viel bewusster als uns heute, weil der Mensch von damals sicher öfter auf einem Esel reiten musste als der heutige. Die oben angesprochene historisch-kritischen Forschung ist übrigens jene wissenschaftliche Theologie (S. 211, vertreten durch Gerd Lüdemann) auf die sich das Lexikon der biblischen Irrtümer beruft um Matthäus genau diese Naivität anzudichten.

Fazit
Jesus war kein Artist. Das macht aber auch nichts, da es für ihn nie von Nöten war auf zwei Tieren gleichzeitig zu reiten. Hier wird nur zwanghaft ein Widerspruch konstruiert, der darauf basiert die Intelligenz des Schreibers des Matthäusevangeliums in Frage zu stellen ohne weitere Beweise für derartige Unterstellungen anbringen zu können.

Wer tötete Goliat?

Einleitung
Im Lexikon der biblischen Irrtümer beschäftigt sich ein Artikel mit der Frage, ob David oder ein gewisser Elhanan den Riesen Goliat aus Gat tötete. Auch werden in diesem Abschnitt einige andere angebliche Widersprüche genannt. Diesen soll in diesem Text nachgegangen werden.

1. War Saul bei der Schlacht gegen die Philister tot oder lebendig?
Der erste Widerspruch, der postuliert wird, beschäftigt sich mit der Frage, ob König Saul bei der Schlacht, in der Goliat getötet wurde, noch am Leben oder bereits verstorben war. Dazu werden im Lexikon der biblischen Irrtümer zwei Bibelstellen zitiert:

2 Auch Saul und die Männer Israels sammelten sich; sie schlugen ihr Lager im Terebinthental auf und traten zum Kampf gegen die Philister an. (…) 11 Als Saul und ganz Israel diese Worte des Philisters hörten, erschraken sie und hatten große Angst.
(1 Samuel 17:2 und 17:11)

sowie

11 Als David erzählt wurde, was Rizpa, die Tochter Ajas und Nebenfrau Sauls, getan hatte, 12 holte er die Gebeine Sauls und die Gebeine seines Sohnes Jonatan von den Bürgern von Jabesch-Gilead, die sie heimlich vom Marktplatz in Bet-Schean weggenommen hatten, wo die Philister sie aufgehängt hatten, als sie Israel am Gilboa schlugen. 13 Er ließ also von dort die Gebeine Sauls und die Gebeine seines Sohnes Jonatan heraufbringen. Dann sammelte man die Gebeine der Hingerichteten ein 14 und begrub sie zusammen mit den Gebeinen Sauls und seines Sohnes Jonatan in Zela im Land Benjamin, im Grab von Sauls Vater Kisch. Man tat alles, was der König befohlen hatte, und Gott ließ sich daraufhin für das Land gnädig stimmen. 15 Wieder einmal kam es zum Krieg zwischen den Philistern und Israel. David zog mit seinen Leuten hinab. Als sie gegen die Philister kämpften, wurde David müde.
(2 Samuel 21:11-15)

Das Lexikon behauptet nun, dass Saul das eine mal bei der gleichen Schlacht noch am Leben gewesen ist, bei der anderen dagegen tot war. Dies könne nicht sein. Doch der angebliche Widerspruch ist gekünstelt, was man leicht nach Lektüre der beiden Bücher Samuels feststellen kann. Die erste Schlacht findet statt, während Saul König ist. David selbst ist ein einfacher Hirtenjunge, der von seinem Vater zum Heer geschickt wird, um nachzusehen, ob seine drei ältesten Söhne noch wohlbehalten sind. Die im zweiten Buch Samuels angesprochene Schlacht findet zu einem viel späteren Zeitpunkt statt. Saul ist bereits im Krieg gefallen und David zum König über Israel und Juda gesalbt. Da die Salbung Davids zum König von Israel erst über sechs Jahre nach der zum König von Juda durchgeführt wurde, wird hier eine Schlacht beschrieben, die mindestens sechs Jahre nach der Tötung Goliats stattfand. Vers 15 deutet auch schon an, was sich noch an anderen Bibelstellen festmachen lässt:

15 Wieder einmal kam es zum Krieg zwischen den Philistern und Israel.

In den beiden Samuelbüchern und dem ersten Buch der Chronik werden rund zehn Schlachten gegen die Philister erwähnt, mit denen sich Israel in einem langen Krieg befand. Es sei nur ein weiteres Beispiel genannt:

4 Danach kam es bei Geser wieder zum Kampf mit den Philistern. Damals erschlug Sibbechai aus Huscha den Sippai, der zu den Rafaïtern gehörte.
(1 Chronik 20:4)

Es lässt sich also feststellen, dass kein Widerspruch vorliegt. Die erste erwähnte Schlacht führt Saul selbst als König, die zweite sein Nachfolger David.

2. Der Kopf Goliats als Indiz?
Im Laufe des Abschnitts wird versucht die Tötung Goliats durch David als spätere Erfindung hinzustellen. Dazu wird der folgende Bibelvers zitiert:

54 David nahm den Kopf des Philisters und brachte ihn nach Jerusalem. Goliats Waffen aber legte er in sein Zelt.
(1 Samuel 17:54)

und erklärt:

Wer auch immer diesen Vers schrieb, kann keine Ahnung von den politischen Verhältnissen jener Zeit gehabt haben! David kann den abgeschlagenen Kopf Goliaths nicht nach Jerusalem gebracht haben, denn die Heilige Stadt war für David sozusagen Feindesland. Sie wurde von den Jebusitern beherrscht, diese hätten einem Anhänger Sauls den Zutritt verwehrt. (S. 57)

Die Aussage, dass Jerusalem zu dieser Zeit Feindesland war ist richtig. Es besteht dennoch kein Widerspruch. Der zitierte Vers sagt nicht aus, dass David den Kopf sofort nach der Schlacht nach Jerusalem brachte. Er wird am Ende des Kapitels sogar noch einmal erwähnt:

57 Als David zurückkehrte, nachdem er den Philister erschlagen hatte, nahm ihn Abner mit und führte ihn zu Saul. David hatte den Kopf des Philisters noch in der Hand.
(1 Samuel 17:54)

Es wird ein Vorausblick gegeben, dass David seine Siegestrophäe später nach Jerusalem bringen wird, nachdem er die Stadt eingenommen und zu seinem Regierungssitz gemacht hat (vgl. 2 Samuel 5).

3. Goliat, sein Bruder und andere Riesen
Der Punkt ist nun die Frage wer Goliat tötete. Ist dies nach 1 Samuel 17 der Hirtenjunge David, so liest man im zweiten Buch Samuel:

(…) erschlug Elhanan, der Sohn Jaïrs aus Betlehem, den Goliat aus Gat, dessen Speer einem Weberbaum glich.
2 Samuel 21:19

Diese Frage ist wohl nicht eindeutig zu beantworten, aber im Folgenden sollen einige Punkte aufgelistet werden, die andeuten, dass dieser Widerspruch vielleicht doch zu lösen ist. Als erstes sei hier eine Parallelstelle aus dem ersten Buch der Chronik genannt in der es heißt:

5 Als es wieder einmal zum Kampf gegen die Philister kam, erschlug Elhanan, der Sohn Jaïrs, den Lachmi, den Bruder Goljats aus Gat, dessen Speer einem Weberbaum glich.
1 Chronik 20:5

Diese Aussage wäre damit verträglich, dass David den Goliat tötete. Die Stelle wird im Lexikon der biblischen Irrtümer angesprochen, aber als verwirrend abgetan, weil im Folgevers ein weiterer Riese erwähnt wird, den Jonatan erschlägt. Ob jetzt drei erwähnte „Riesen“ (bzw. in 1 Chronik 20:6 ein Mann von riesenhafter Größe) verwirrend sind ist wohl persönliche Empfindung. In der Bibel werden hunderte von Personen und Orten genannt, weshalb sich Lexika zu biblischen Namen stets großer Beliebtheit erfreuen. Drei erwähnte Riesen in zwei Sätzen sind, verglichen mit anderen Stellen, überschaubar. Daher ist dies wohl kein Grund den Vers 1 Chronik 20:5 einfach beiseite zu schieben. Es gibt im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder wurde 1 Chronik 20:5 nachträglich angeglichen/eingefügt um das Problem „David oder Elhanan“ zu entschärfen, oder bei 2 Samuel 21:19 schlich sich im Laufe der Abschreibvorgänge ein Fehler ein. Wie dieser ausgesehen haben könnte schildert Gleason Archer in seiner Encyclopedia of Bible Difficulties. Dort wird anhand des Masoretischen Textes erklärt, wie man durch kleine Undeutlichkeiten im Text vom Bruder Lachmi des Goliat auf die Herkunftsbezeichnung Der Bethlehemit [= aus Betlehem] kommen kann. Dort wird folgendes Fazit gezogen:

In other words, the 2 Samuel 21 passage is a perfectly traceable corruption of the original wording, which fortunately has been correctly preserved in 1 Chronicles 20:5. (S. 177)

Beweisen kann man dieses Szenario sicher nicht, aber es können einige Indizien können unterstützend aufgeführt werden. Würde man davon ausgehen, dass 1 Chronik 20:5 absichtlich angepasst wurde, um den Widerspruch zu beheben, dann stellt sich die Frage, wieso der Korrektor nicht auch 2 Samuel 21:19 veränderte. Durch eine Änderung von 1 Chronik 20:5 verschlimmert sich die Situation, anstatt das Problem zu lösen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Passage so umgeschrieben wurde, um den Widerspruch zu lösen. Es ist daher wohl eher anzunehmen, dass sich in 2 Samuel 21:19 ein Fehler einschlich. Ein zweiter Punkt ist der Gesamtzusammenhang der Texte. Die Schlacht, in welcher David Goliat tötet, findet wie in Punkt 1 beschrieben, zur Regierungszeit Sauls im Terebinthental statt. Die erwähnte Tötung durch Elhanan ereignet sich dagegen zur Regierungszeit Davids. Man kann als Kritiker natürlich annehmen, dass die Bücher Samuels Flickwerk verschiedener Autoren sind und sich so erklären, dass Ereignisse chronologisch verschoben wurden, doch auch hierzu müssen Annahmen gemacht werden, welche genausowenig belegt werden können wie die Annahme, dass die Bücher die Ereignisse chronologisch korrekt wiedergeben. Unter diesem Blickpunkt fügt sich die Tötung eines Bruders von Goliat durch Elhanan problemlos in die Geschichte ein und man ist nicht darauf angewiesen unbekannten Autoren Motive zu unterstellen, warum sie die Goliatgeschichte auf David umgedichtet haben sollten.

Fazit
Das angebliche Problem aus Abschnitt 1 dieses Textes ist definitiv keines. Es ist klar von zwei unterschiedlichen Schlachten die Rede. Nach dem Lesen der Bücher Samuels ist dies augenscheinlich. Auch die scheinbare Unmöglichkeit den Kopf Goliats nach Jerusalem zu bringen lässt sich einfach auflösen. Komplizierter ist es dagegen bei der Frage wer nun Goliat wirklich besiegte. Eine endgültige Entscheidung muss hier offen bleiben. Vielleicht taucht eines Tages eine ältere Abschrift auf, die klären kann welche Passage im Laufe der Zeit eine Veränderung erfahren hat und ob es sich dabei um schlechte Harmonisierungsversuche oder Fehler beim Abschreiben handelt.