Der unhistorische Karfreitag Teil 3

In meinem ursprünglichen Artikel zu diesem Themenblock schrieb ich über einen Artikel in unserer Lokalzeitung, die mit fragwürdigen Aussagen gegen die Wahrheit der Passionsgeschichte argumentierte und veröffentlichte in dem verlinkten Artikel meinen Leserbrief, den ich zu diesem Artikel an die Zeitung sendete. In einem zweiten Teil zeigte und kommentierte ich zwei weitere Leserbriefe zu diesem Artikel, die sich ebenfalls gegen die Historizität des Karfreitagsgeschehens aussprechen. Mittlerweile erschien ein weiterer Brief von Helmut Lurz, der ebenfalls in diese Kerbe schlägt. Hier der Brief:

Leserbrief

Stelle ich im zweiten Teil für den Leserbrief von Herrn Posert noch fest, dass dessen Argumentation lediglich auf einem schwachen (und in diesem Fall nicht einmal anwendbaren) argumentum ex silentio basiert, so sieht es hier im Fall von Herrn Lurz noch deutlich düsterer aus. Denn das einzige „Argument“ das gebracht wird ist: Weil durch Jesu Passion etliche Prophezeiungen aus dem Alten Testament erfüllt wurden, musste die Geschichte durch die Evangelisten so geschrieben bzw. sogar erfunden werden, damit diese Prophezeiungen erfüllt werden. Es ginge den Evangelisten nicht um die Beschreibung dessen was wirklich passiert ist, sondern nur darum die Voraussagen als erfüllt heraus zu stellen.
Oder anders formuliert: Was nicht sein darf, kann nicht sein. Die Möglichkeit, dass die Evangelien von erfüllten Prophezeiungen berichten, weil die in ihnen erzählten Geschehnisse alttestamentarische Prophetien erfüllen, wird aufgrund weltanschaulicher Voreingenommenheit anscheinend kategorisch ausgeschlossen. Somit erkennt man: Es liegt nicht einmal ein Argument vor, sondern lediglich die Postulierung einer persönlichen Weltsicht. Dies sei Herrn Lurz natürlich gegönnt, allerdings sollte man sich dessen sowohl als Leser als auch als Schreiber des Briefes bewusst sein. Dennoch verwundert die Auswahl der Stellen aus dem Alten Testament.

Zum einen, dass Jesus nicht alleine gekreuzigt werden durfte, um die Schrift zu erfüllen. Da die Kreuzigung eine öffentliche Hinrichtungsmethode zur Abschreckung von Nachahmern war, wurden selten einzelne Personen gekreuzigt. Stattdessen wurden Kreuzigungen mit mehreren Verurteilten durchgeführt um den Abschreckungsfaktor zu vergrößern. Somit wäre es, wenn überhaupt, etwas Besonderes oder zumindest Auffälliges gewesen, wenn Jesus alleine gekreuzigt worden wäre, aber nicht, wenn andere mit ihm starben.

Noch interessanter ist der Einwand von Herr Lurz: „[Es] mussten die Mitgekreuzigten Verbrecher sein [um die Prophezeiung zu erfüllen und daher haben die Evangelisten sie zu Verbrechern gemacht.]“ Nur: Was hätten sie denn sonst sein sollen? Wohl kaum unbescholtene Bürger oder Freiwillige, die einmal eine Kreuzigung ausprobieren wollten. Auch soweit also nichts, was gegen die Wahrheit der Evangelien ins Feld geführt werden könnte.

Nehmen wir uns als nächstes das Johanneszitat

Und wiederum sagt eine andere Schrift: »Sie werden den ansehen, welchen sie durchstochen haben«. (Johannes 19,37)

vor. Johannes spricht hier von einem Vers aus dem Buch Sacharja in dem es heißt:

Doch über das Haus David und über die Einwohner Jerusalems werde ich einen Geist des Mitleids und des flehentlichen Bittens ausgießen. Und sie werden auf mich blicken, auf ihn, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie bei der Klage um den Einzigen; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint. (Sacharja 12,10)

Wurde also erfunden, dass Jesus von einer Lanze in die Seite gestochen wurde, damit sich dieses Wort erfüllt? Auch hier lässt sich feststellen, dass es zur normalen Hinrichtungspraxis der Römer gehörte, dass den (vermeintlich) Toten am Kreuz zur Sicherheit mit dem Pilum (der Standardspeer römischer Soldaten) in den Bauch gestochen wurde, um sicherzustellen, dass der Verurteile auch wirklich tot war. Schließlich „hafteten“ die Soldaten selbst mit ihrem Leben für den Hinrichtungserfolg. Deshalb lässt sich auch hier sagen, dass es viel wahrscheinlicher ist, dass es sich so abgespielt hat, als dem Evangelisten eine Lüge vorzuwerfen nur weil das Alten Testament den Text von Sacharja 14 enthält.

Zu guter Letzt nun wird in Johannes 19 aus einem Psalm wiedergegeben:

Er bewahrt ihm alle seine Gebeine, dass nicht eines von ihnen zerbrochen wird. (Ps. 34,21)

Herr Lurz zieht daraus die Folgerung, dass Jesu Tod einfach so umgeschrieben werden musste, dass er schnell starb. Dazu habe ich allerdings in meinem Leserbrief ausführlich Stellung bezogen und begründet, dass uns die Evangelien genügend Indizien dafür liefern, dass ein schneller Tod nicht unwahrscheinlich oder gar unmöglich gewesen ist. Leider wiederholt Herr Lurz diese nicht tragfähige Behauptung des Main-Echos einfach. Somit spricht auch hier nichts dagegen, dass die Erfüllung von Psalm 34,21 deshalb im Evangelium erwähnt wird, weil sie sich wirklich zugetragen hat. Vor allem, da dass Zerschlagen der Beine ebenfalls zur Hinrichtungspraxis der Römer gehörte, wenn ein schneller und qualvoller Tod eintreten sollte.

Nach diesen vier Punkten stellt Herr Lurz noch in Frage, ob man die Beschreibung des Gottesknechtes überhaupt auf die Passion übertragen kann, da Jesus davon ausginge, dass mit seinem Tod direkt das Endreich hereinbrechen werde. Die Behauptung, dass dies Jesus Überzeugung gewesen sei, findet sich vor allem bei vielen Religionskritikern (z.B. Heinz-Werner Kubitza, Karl-Heinz Deschner) und anderen, aber auch historisch-kritischen Theologen wie Rudolf Bultmann. Sie basiert primär darauf, dass man die Aussagen der Evangelien grundsätzlich als unhistorisch in Frage stellt und dann mit selbst-definierten Kriterien versucht, den historischen Jesus heraus zu filtern. Dies kann an dieser Stelle nicht erschöpfend diskutiert werden.
Zugute halten muss man Herrn Lurz, dass er selbst nur von höchstwahrscheinlich spricht. Denn ein Faktum liegt hier nicht vor. Was aber viel entscheidender ist: Selbst wenn die Aussage korrekt wäre und Jesus nicht direkt auf die Kreuzigung hingelebt hätte, sondern vom nahen Gottesreich ausging, so würde dies weder gegen die Erfüllung der oben genannten Prophezeiungen noch gegen die Beschreibung der Passion in den Evangelien an sich sprechen.

Ein Gedanke zu „Der unhistorische Karfreitag Teil 3

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