Der unhistorische Karfreitag Teil 4

Einleitung
Nach bereits drei Blog-Beiträgen ([1][2][3]) zu einem bibelkritischen Leitartikel in unserer Zeitung Main Echo und diversen Leserbriefen dazu, möchte ich heute einen weiteren anfügen, der sich mit einem Leserbrief eines Herrn Breitenbach zu diesem Thema beschäftigt. Erstaunlich und auch traurig ist, dass er in Sachen Qualität der Argumente praktisch alles bisher Dagewesene unterbietet, auch wenn der Brief vorgibt einen Fakt nach dem anderen aufzuzählen der die Bibel zum „Märchenbuch“ machen soll. Wie immer zuerst der Brief:

Ich werde mich im Folgenden von Punkt zu Punkt hangeln und aufzeigen wie wenig haltbar Breitenbachs Thesen sind.

Die Behauptungen im Einzelnen

So soll Jesus ans Kreuz geschlagen worden und auch am Kreuz gestorben sein. Um einem Nagel und auch eine Schraube herstellen zu können, bedarf es als Vormaterial einen Draht. Zu der Zeit Jesus war man noch nicht in der Lage einen Draht herzustellen.
(O.H. Breitenbach)

Nach dieser Behauptung hätte es also zu Zeiten Jesu keine Nägel geben dürfen? Dass diese Annahme falsch ist, belegen unzählige Funde von Nägeln in der Antike. Natürlich wurden sie nicht wie heute hergestellt, sondern sie wurden geschmiedet, was aber nichts an ihrer Existenz ändert. Aber auch Draht kannte man natürlich. Schon im Alten Ägypten wurden Drähte aus Gold zur Schmuckherstellung genutzt und die Schuppenpanzer der Römer wurden durch Draht und Lederriemen zusammen gehalten.

Außerdem hätte man Sparrennägel gebraucht. Der Stahl wurde erst im Jahre 1855 erfunden.
(O.H. Breitenbach)

Hier möchte jemand anscheinend die Menschheitsgeschichte umschreiben. Korrekt ist, dass in den 1850er Jahren Henry Bessemer ein nach ihm benanntes Verfahren zur Stahlgewinnung präsentierte. Der resultierende Stahl war qualitativ hochwertig, aber die Hauptneuerung war, dass dieses Verfahren sehr kosteneffizient war. Stahl gibt es natürlich schon viel länger. Ein besonders imposantes Beispiel sind die sogenannten Ulfberth-Schwerter aus dem 8. Jahrhundert. Edge und Williams geben für die Klinge eines Exemplars als mittleren Wert auf der Vickers Härteskala 467 VPH an [EdA03]. Einige Bereiche erreichen eine Härte von 540 VPH. Zum Vergleich: Moderner Stahl liegt im Bereich von 500-540 VPH. Somit besitzen die 1200 Jahre alten Klingen eine selbst an heutigen Verhältnissen gemessene sehr gute Stahlqualität und das obwohl laut Breitenbach Stahl erst über 1000 Jahre später erstmalig hergestellt wurde.

Ein Nagel aus Roheisen wäre sofort krumm geworden.
(O.H. Breitenbach)

Es sei also nicht möglich mit einem Eisennagel jemanden zu kreuzigen, da dieser zu weich sei und krumm würde? Auch diese Aussage ist falsch und wird durch einen archäologischen Fund eindeutig widerlegt. Bereits 1968 fand man in Givat HaMivtar, welches gerade einmal 2,8 km von Jesu Hinrichtungsstätte entfernt in Jerusalem liegt, die Gebeine eines gewissen Jehohanan, der in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus starb. Die Todesart: Kreuzigung. Dazu der Entdecker der Knochen Vassilio Tzaferis:

This is undoubtedly a case of crucifixion. [Tza70]
[Hier liegt unzweifelhaft ein Fall von Kreuzigung vor.]

Durch die erhaltenen Fersenknochen ist ein Eisennagel getrieben, der sie vollständig durchdringt und so fest sitzt, dass er bei der Bestattung nicht gezogen wurde [Haa70]. Die Beine von Jehohanan wurden mit jeweils einem derartigen Nagel links und rechts an den Kreuzesstamm genagelt [ZiS85]. Sie waren hart genug um durch massive menschlichen Knochen zu dringen! Das Holz in das sie geschlagen wurden war dagegen weich. Die Römer konnten mangels Verfügbarkeit keinen massiven Eichenstamm oder vergleichbares benutzen, sondern lokal verfügbare Bäume wie Zeder, Pinie oder Zypresse.

Wie wollte man die Nägel wieder herausziehen, wo es weder eine Zange noch einen Geißfuß gegeben hat?
(O.H. Breitenbach)

Zangen und andere Werkzeuge sind so alt wie die Metallbearbeitung selbst (siehe z.B. [Pra48], [Wil74]), reichen also bis zu den Ägyptern zurück und waren somit natürlich den Römern bekannt. Auch die generelle Funktionsweise der Hebelgesetze war den Menschen schon immer bewusst. Somit stellte es kein Problem dar einen Nagel aus weichem Holz zu bekommen. Bei Jehohanan wurde es erwiesenermaßen auch fertig gebracht.

Warum findet man in einem alten Fachwerkhaus das 400 oder 500 Jahre alt ist, keinen Stahlnagel, sondern nur Holznägel?
(O.H. Breitenbach)

Warum findet man in einem 400 Jahre alten Kuhstall keine Schornsteine? Weil sie weder funktional noch aus architektonischen Gründen benötigt wurden und unnötig teuer und aufwändig gewesen wären. Gab es deshalb keine Schornsteine? Ebenso verhält es sich mit den Stahlnägeln.

Ich bin vielmehr der Meinung, dass Jesus ermordet und tot ans Kreuz gebunden wurde – zur Abschreckung.
(O.H. Breitenbach)

Gut, ein persönlicher Glaube von Herrn Breitenbach, der allerdings durch keinerlei Indizien gestützt wird. Eine derartige Praxis widerspricht auch vollkommen der Praxis der Römer. Die Abschreckung in der Kreuzigung bestand nicht darin, dass man seine Gegner nur getötet hat. Dann hätte man ihnen schnell mit Schwert oder Axt den Kopf vom Rumpf getrennt und sich die Zeit und Aufwand der Kreuzigung gespart. Die Abschreckung bestand darin, dass jeder sehen konnte wie qualvoll die Verurteilten am Kreuz langsam starben. Es soll etliche Leute geben, die den Tod aus verschiedenen Gründen nicht fürchten. Die Anzahl derer, die tagelange schlimmste Qualen vor ihrem unweigerlichen Tod nicht erschrecken, dürfte dagegen deutlich geringer sein.

Jesus war ein Wanderprediger und ein Revoluzzer. So hat er sich im Tempel mit den sogenannten Geldwechslern angelegt und die Tische umgetreten. Die Geldwechsler haben sich natürlich im Hause Herodes über Jesus beschwert. Schließlich mussten diese Steuern und Abgaben an das Haus Herodes zahlen. Somit war das Schicksal von Jesus besiegelt.
(O.H. Breitenbach)

Hier begegnet uns nun die uralte Geschichte von Jesus als sozialem Revoluzzer. Außer der Episode von Jesus im Tempel, gibt es für diese Aussage allerdings keine Begründung im Leserbrief und auch ansonsten von Religionskritikern allgemein. Nach übereinstimmendem Zeugnis der Evangelisten (Mt. 21,12; Mk. 11,15; Joh. 2,14) stieß Jesus die Tische übrigens um, während Herr Breitenbach ein Umtreten erfindet. Jesus ging es keineswegs um soziale Strukturen oder die Regierung. Religion und Staat trennte er (Mt. 22,21; Mk. 12,17; Lk. 20,25). Auch dass er stets nur mit den religiösen Führern aneinander geriet (z.B. Mt. 12,2ff; Mt. 22,45f; Mt. 23,13 u.v.a.) zeigt, dass sein Ziel ein ganz anderes war.

Auch die Verheißung der Geburt Jesus durch den Engel des Herrn ist doch sehr fraglich. Wo hat man nun diesen Engel des Herrn hergenommen? Hat man da erst den Herrn und dann den Engel erfunden oder umgekehrt?
(O.H. Breitenbach)

Der Engel des Herrn taucht schon im Pentateuch (z.b. 1. Mo. 16,7; 2. Mo 2,3) über 30 mal auf. Er erscheint auch in den folgenden Geschichtsbüchern der Richter (z.B. Ri. 2,1), Könige (z.B. 1. Kön. 13,38) und der Chronik (z.B. 1. Chr. 21,16) nochmals über 30 mal. Ebenso in den Psalmen (z.B. Ps. 34,8) und auch bei den Propheten (z.B. Dan. 3,49; Sach. 1,11). Die Berichte über ihn reichen also mehrere tausend Jahre vor Jesus in die Vergangenheit. Die Evangelisten mussten somit nichts erfinden. Oder im Umkehrschluss: In Anbetracht der Wichtigkeit der Engel in der Geschichte Israels wäre es seltsam und unwahrscheinlich gewesen, dass sie nicht im Zusammenhang mit Jesus aufgetaucht wären.

Jesus soll sich vierzig Tage und vierzig Nächte in der Wüste aufgehalten haben, um zu fasten und zu beten. Angeblich soll er sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt haben. Seit wann gibt es in der Wüste Heu? Kein Insekt hält sich in einer Gegend auf, wo es nichts zu fressen gibt.
(O.H. Breitenbach)

Ich bin ein Freund der Vorgehensweise, dass man sich erst informiert, bevor man etwas kritisiert. Hier liegt ein weiteres Beispiel vor, dass Herr Breitenbach dies nicht getan hat. Dass Jesus von Heuschrecken und Honig gelebt habe, steht im Neuen Testament nirgendwo. Lukas (Lk. 4,2) sagt dagegen explizit, dass Jesus nichts aß, was auch Matthäus (Mt. 4,2) nahelegt. Herr Breitenbach verwechselt Jesus hier mit Johannes dem Täufer (Mt. 3,4; Mk. 1,6). Dieser bewegte sich unter der Bevölkerung Israels um dort zu predigen und konnte sich somit in den Dörfern mit Honig, Heuschrecken und allem sonst Nötigen versorgen. Des Weiteren halten sich Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria) bei ihren Wanderbewegungen teilweise auch längerfristig in den Wüsten um Israel auf, so dass Herr Breitenbach nicht einmal dann richtig gelegen hätte, wenn seine selbst komponierte Bibelversion korrekt gewesen wäre.

Fazit
Wie bereits in der Einleitung gesagt, ist Herrn Breitenbachs Brief mit das Schlechteste was es zu diesem Thema zu lesen gibt. Es werden Behauptungen als Fakten dargestellt, die schon bei oberflächlicher Überprüfung in sich zusammen fallen. Sein Hauptangriffsziel, die Bibel, kennt er anscheinend nur vom Hörensagen, denn seine Aussagen dazu beweisen eine weitgehende Unkenntnis bezüglich deren Inhalt. Sein Leserbrief enthält in wenigen Sätzen mehr Märchen als ein Buch der Gebrüder Grimm, die er grundloser Weise zum Vergleich mit dem Neuen Testament heran zieht.

Literatur

  • [EdA03] Edge, David, and Alan Williams. „Some early medieval swords in the Wallace Collection and elsewhere.“ Gladius 23 (2003): 191-209.
  • [Haa70] Haas, Nicu. „Anthropological observations on the skeletal remains from Giv’at ha-Mivtar.“ Israel Exploration Journal (1970): 38-59.
  • [Pra48] Praus, Alexis A. „Mechanical principles involved in primitive tools and those of the machine age.“ Isis 38.3/4 (1948): 157-160.
  • [Tza70] Tzaferis, Vassilios. „Jewish tombs at and near Giv’at ha-Mivtar, Jerusalem.“ Israel Exploration Journal (1970): 18-32
  • [Wil74] Williams, E. „Hooke’s Law and the Concept of the Elastic Limit.“ Annals of Science 12.1 (1956): 74-83.
  • [ZiS85] Zias, Joseph, and Eliezer Sekeles. „The crucified man from Giv’at ha-Mivtar: a reappraisal.“ Israel Exploration Journal (1985): 22-27.

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