Der unhistorische Karfreitag Teil 4

Einleitung
Nach bereits drei Blog-Beiträgen ([1][2][3]) zu einem bibelkritischen Leitartikel in unserer Zeitung Main Echo und diversen Leserbriefen dazu, möchte ich heute einen weiteren anfügen, der sich mit einem Leserbrief eines Herrn Breitenbach zu diesem Thema beschäftigt. Erstaunlich und auch traurig ist, dass er in Sachen Qualität der Argumente praktisch alles bisher Dagewesene unterbietet, auch wenn der Brief vorgibt einen Fakt nach dem anderen aufzuzählen der die Bibel zum „Märchenbuch“ machen soll. Wie immer zuerst der Brief:

Ich werde mich im Folgenden von Punkt zu Punkt hangeln und aufzeigen wie wenig haltbar Breitenbachs Thesen sind.

Die Behauptungen im Einzelnen

So soll Jesus ans Kreuz geschlagen worden und auch am Kreuz gestorben sein. Um einem Nagel und auch eine Schraube herstellen zu können, bedarf es als Vormaterial einen Draht. Zu der Zeit Jesus war man noch nicht in der Lage einen Draht herzustellen.
(O.H. Breitenbach)

Nach dieser Behauptung hätte es also zu Zeiten Jesu keine Nägel geben dürfen? Dass diese Annahme falsch ist, belegen unzählige Funde von Nägeln in der Antike. Natürlich wurden sie nicht wie heute hergestellt, sondern sie wurden geschmiedet, was aber nichts an ihrer Existenz ändert. Aber auch Draht kannte man natürlich. Schon im Alten Ägypten wurden Drähte aus Gold zur Schmuckherstellung genutzt und die Schuppenpanzer der Römer wurden durch Draht und Lederriemen zusammen gehalten.

Außerdem hätte man Sparrennägel gebraucht. Der Stahl wurde erst im Jahre 1855 erfunden.
(O.H. Breitenbach)

Hier möchte jemand anscheinend die Menschheitsgeschichte umschreiben. Korrekt ist, dass in den 1850er Jahren Henry Bessemer ein nach ihm benanntes Verfahren zur Stahlgewinnung präsentierte. Der resultierende Stahl war qualitativ hochwertig, aber die Hauptneuerung war, dass dieses Verfahren sehr kosteneffizient war. Stahl gibt es natürlich schon viel länger. Ein besonders imposantes Beispiel sind die sogenannten Ulfberth-Schwerter aus dem 8. Jahrhundert. Edge und Williams geben für die Klinge eines Exemplars als mittleren Wert auf der Vickers Härteskala 467 VPH an [EdA03]. Einige Bereiche erreichen eine Härte von 540 VPH. Zum Vergleich: Moderner Stahl liegt im Bereich von 500-540 VPH. Somit besitzen die 1200 Jahre alten Klingen eine selbst an heutigen Verhältnissen gemessene sehr gute Stahlqualität und das obwohl laut Breitenbach Stahl erst über 1000 Jahre später erstmalig hergestellt wurde.

Ein Nagel aus Roheisen wäre sofort krumm geworden.
(O.H. Breitenbach)

Es sei also nicht möglich mit einem Eisennagel jemanden zu kreuzigen, da dieser zu weich sei und krumm würde? Auch diese Aussage ist falsch und wird durch einen archäologischen Fund eindeutig widerlegt. Bereits 1968 fand man in Givat HaMivtar, welches gerade einmal 2,8 km von Jesu Hinrichtungsstätte entfernt in Jerusalem liegt, die Gebeine eines gewissen Jehohanan, der in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus starb. Die Todesart: Kreuzigung. Dazu der Entdecker der Knochen Vassilio Tzaferis:

This is undoubtedly a case of crucifixion. [Tza70]
[Hier liegt unzweifelhaft ein Fall von Kreuzigung vor.]

Durch die erhaltenen Fersenknochen ist ein Eisennagel getrieben, der sie vollständig durchdringt und so fest sitzt, dass er bei der Bestattung nicht gezogen wurde [Haa70]. Die Beine von Jehohanan wurden mit jeweils einem derartigen Nagel links und rechts an den Kreuzesstamm genagelt [ZiS85]. Sie waren hart genug um durch massive menschlichen Knochen zu dringen! Das Holz in das sie geschlagen wurden war dagegen weich. Die Römer konnten mangels Verfügbarkeit keinen massiven Eichenstamm oder vergleichbares benutzen, sondern lokal verfügbare Bäume wie Zeder, Pinie oder Zypresse.

Wie wollte man die Nägel wieder herausziehen, wo es weder eine Zange noch einen Geißfuß gegeben hat?
(O.H. Breitenbach)

Zangen und andere Werkzeuge sind so alt wie die Metallbearbeitung selbst (siehe z.B. [Pra48], [Wil74]), reichen also bis zu den Ägyptern zurück und waren somit natürlich den Römern bekannt. Auch die generelle Funktionsweise der Hebelgesetze war den Menschen schon immer bewusst. Somit stellte es kein Problem dar einen Nagel aus weichem Holz zu bekommen. Bei Jehohanan wurde es erwiesenermaßen auch fertig gebracht.

Warum findet man in einem alten Fachwerkhaus das 400 oder 500 Jahre alt ist, keinen Stahlnagel, sondern nur Holznägel?
(O.H. Breitenbach)

Warum findet man in einem 400 Jahre alten Kuhstall keine Schornsteine? Weil sie weder funktional noch aus architektonischen Gründen benötigt wurden und unnötig teuer und aufwändig gewesen wären. Gab es deshalb keine Schornsteine? Ebenso verhält es sich mit den Stahlnägeln.

Ich bin vielmehr der Meinung, dass Jesus ermordet und tot ans Kreuz gebunden wurde – zur Abschreckung.
(O.H. Breitenbach)

Gut, ein persönlicher Glaube von Herrn Breitenbach, der allerdings durch keinerlei Indizien gestützt wird. Eine derartige Praxis widerspricht auch vollkommen der Praxis der Römer. Die Abschreckung in der Kreuzigung bestand nicht darin, dass man seine Gegner nur getötet hat. Dann hätte man ihnen schnell mit Schwert oder Axt den Kopf vom Rumpf getrennt und sich die Zeit und Aufwand der Kreuzigung gespart. Die Abschreckung bestand darin, dass jeder sehen konnte wie qualvoll die Verurteilten am Kreuz langsam starben. Es soll etliche Leute geben, die den Tod aus verschiedenen Gründen nicht fürchten. Die Anzahl derer, die tagelange schlimmste Qualen vor ihrem unweigerlichen Tod nicht erschrecken, dürfte dagegen deutlich geringer sein.

Jesus war ein Wanderprediger und ein Revoluzzer. So hat er sich im Tempel mit den sogenannten Geldwechslern angelegt und die Tische umgetreten. Die Geldwechsler haben sich natürlich im Hause Herodes über Jesus beschwert. Schließlich mussten diese Steuern und Abgaben an das Haus Herodes zahlen. Somit war das Schicksal von Jesus besiegelt.
(O.H. Breitenbach)

Hier begegnet uns nun die uralte Geschichte von Jesus als sozialem Revoluzzer. Außer der Episode von Jesus im Tempel, gibt es für diese Aussage allerdings keine Begründung im Leserbrief und auch ansonsten von Religionskritikern allgemein. Nach übereinstimmendem Zeugnis der Evangelisten (Mt. 21,12; Mk. 11,15; Joh. 2,14) stieß Jesus die Tische übrigens um, während Herr Breitenbach ein Umtreten erfindet. Jesus ging es keineswegs um soziale Strukturen oder die Regierung. Religion und Staat trennte er (Mt. 22,21; Mk. 12,17; Lk. 20,25). Auch dass er stets nur mit den religiösen Führern aneinander geriet (z.B. Mt. 12,2ff; Mt. 22,45f; Mt. 23,13 u.v.a.) zeigt, dass sein Ziel ein ganz anderes war.

Auch die Verheißung der Geburt Jesus durch den Engel des Herrn ist doch sehr fraglich. Wo hat man nun diesen Engel des Herrn hergenommen? Hat man da erst den Herrn und dann den Engel erfunden oder umgekehrt?
(O.H. Breitenbach)

Der Engel des Herrn taucht schon im Pentateuch (z.b. 1. Mo. 16,7; 2. Mo 2,3) über 30 mal auf. Er erscheint auch in den folgenden Geschichtsbüchern der Richter (z.B. Ri. 2,1), Könige (z.B. 1. Kön. 13,38) und der Chronik (z.B. 1. Chr. 21,16) nochmals über 30 mal. Ebenso in den Psalmen (z.B. Ps. 34,8) und auch bei den Propheten (z.B. Dan. 3,49; Sach. 1,11). Die Berichte über ihn reichen also mehrere tausend Jahre vor Jesus in die Vergangenheit. Die Evangelisten mussten somit nichts erfinden. Oder im Umkehrschluss: In Anbetracht der Wichtigkeit der Engel in der Geschichte Israels wäre es seltsam und unwahrscheinlich gewesen, dass sie nicht im Zusammenhang mit Jesus aufgetaucht wären.

Jesus soll sich vierzig Tage und vierzig Nächte in der Wüste aufgehalten haben, um zu fasten und zu beten. Angeblich soll er sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt haben. Seit wann gibt es in der Wüste Heu? Kein Insekt hält sich in einer Gegend auf, wo es nichts zu fressen gibt.
(O.H. Breitenbach)

Ich bin ein Freund der Vorgehensweise, dass man sich erst informiert, bevor man etwas kritisiert. Hier liegt ein weiteres Beispiel vor, dass Herr Breitenbach dies nicht getan hat. Dass Jesus von Heuschrecken und Honig gelebt habe, steht im Neuen Testament nirgendwo. Lukas (Lk. 4,2) sagt dagegen explizit, dass Jesus nichts aß, was auch Matthäus (Mt. 4,2) nahelegt. Herr Breitenbach verwechselt Jesus hier mit Johannes dem Täufer (Mt. 3,4; Mk. 1,6). Dieser bewegte sich unter der Bevölkerung Israels um dort zu predigen und konnte sich somit in den Dörfern mit Honig, Heuschrecken und allem sonst Nötigen versorgen. Des Weiteren halten sich Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria) bei ihren Wanderbewegungen teilweise auch längerfristig in den Wüsten um Israel auf, so dass Herr Breitenbach nicht einmal dann richtig gelegen hätte, wenn seine selbst komponierte Bibelversion korrekt gewesen wäre.

Fazit
Wie bereits in der Einleitung gesagt, ist Herrn Breitenbachs Brief mit das Schlechteste was es zu diesem Thema zu lesen gibt. Es werden Behauptungen als Fakten dargestellt, die schon bei oberflächlicher Überprüfung in sich zusammen fallen. Sein Hauptangriffsziel, die Bibel, kennt er anscheinend nur vom Hörensagen, denn seine Aussagen dazu beweisen eine weitgehende Unkenntnis bezüglich deren Inhalt. Sein Leserbrief enthält in wenigen Sätzen mehr Märchen als ein Buch der Gebrüder Grimm, die er grundloser Weise zum Vergleich mit dem Neuen Testament heran zieht.

Literatur

  • [EdA03] Edge, David, and Alan Williams. „Some early medieval swords in the Wallace Collection and elsewhere.“ Gladius 23 (2003): 191-209.
  • [Haa70] Haas, Nicu. „Anthropological observations on the skeletal remains from Giv’at ha-Mivtar.“ Israel Exploration Journal (1970): 38-59.
  • [Pra48] Praus, Alexis A. „Mechanical principles involved in primitive tools and those of the machine age.“ Isis 38.3/4 (1948): 157-160.
  • [Tza70] Tzaferis, Vassilios. „Jewish tombs at and near Giv’at ha-Mivtar, Jerusalem.“ Israel Exploration Journal (1970): 18-32
  • [Wil74] Williams, E. „Hooke’s Law and the Concept of the Elastic Limit.“ Annals of Science 12.1 (1956): 74-83.
  • [ZiS85] Zias, Joseph, and Eliezer Sekeles. „The crucified man from Giv’at ha-Mivtar: a reappraisal.“ Israel Exploration Journal (1985): 22-27.

Der unhistorische Karfreitag Teil 3

In meinem ursprünglichen Artikel zu diesem Themenblock schrieb ich über einen Artikel in unserer Lokalzeitung, die mit fragwürdigen Aussagen gegen die Wahrheit der Passionsgeschichte argumentierte und veröffentlichte in dem verlinkten Artikel meinen Leserbrief, den ich zu diesem Artikel an die Zeitung sendete. In einem zweiten Teil zeigte und kommentierte ich zwei weitere Leserbriefe zu diesem Artikel, die sich ebenfalls gegen die Historizität des Karfreitagsgeschehens aussprechen. Mittlerweile erschien ein weiterer Brief von Helmut Lurz, der ebenfalls in diese Kerbe schlägt. Hier der Brief:

Leserbrief

Stelle ich im zweiten Teil für den Leserbrief von Herrn Posert noch fest, dass dessen Argumentation lediglich auf einem schwachen (und in diesem Fall nicht einmal anwendbaren) argumentum ex silentio basiert, so sieht es hier im Fall von Herrn Lurz noch deutlich düsterer aus. Denn das einzige „Argument“ das gebracht wird ist: Weil durch Jesu Passion etliche Prophezeiungen aus dem Alten Testament erfüllt wurden, musste die Geschichte durch die Evangelisten so geschrieben bzw. sogar erfunden werden, damit diese Prophezeiungen erfüllt werden. Es ginge den Evangelisten nicht um die Beschreibung dessen was wirklich passiert ist, sondern nur darum die Voraussagen als erfüllt heraus zu stellen.
Oder anders formuliert: Was nicht sein darf, kann nicht sein. Die Möglichkeit, dass die Evangelien von erfüllten Prophezeiungen berichten, weil die in ihnen erzählten Geschehnisse alttestamentarische Prophetien erfüllen, wird aufgrund weltanschaulicher Voreingenommenheit anscheinend kategorisch ausgeschlossen. Somit erkennt man: Es liegt nicht einmal ein Argument vor, sondern lediglich die Postulierung einer persönlichen Weltsicht. Dies sei Herrn Lurz natürlich gegönnt, allerdings sollte man sich dessen sowohl als Leser als auch als Schreiber des Briefes bewusst sein. Dennoch verwundert die Auswahl der Stellen aus dem Alten Testament.

Zum einen, dass Jesus nicht alleine gekreuzigt werden durfte, um die Schrift zu erfüllen. Da die Kreuzigung eine öffentliche Hinrichtungsmethode zur Abschreckung von Nachahmern war, wurden selten einzelne Personen gekreuzigt. Stattdessen wurden Kreuzigungen mit mehreren Verurteilten durchgeführt um den Abschreckungsfaktor zu vergrößern. Somit wäre es, wenn überhaupt, etwas Besonderes oder zumindest Auffälliges gewesen, wenn Jesus alleine gekreuzigt worden wäre, aber nicht, wenn andere mit ihm starben.

Noch interessanter ist der Einwand von Herr Lurz: „[Es] mussten die Mitgekreuzigten Verbrecher sein [um die Prophezeiung zu erfüllen und daher haben die Evangelisten sie zu Verbrechern gemacht.]“ Nur: Was hätten sie denn sonst sein sollen? Wohl kaum unbescholtene Bürger oder Freiwillige, die einmal eine Kreuzigung ausprobieren wollten. Auch soweit also nichts, was gegen die Wahrheit der Evangelien ins Feld geführt werden könnte.

Nehmen wir uns als nächstes das Johanneszitat

Und wiederum sagt eine andere Schrift: »Sie werden den ansehen, welchen sie durchstochen haben«. (Johannes 19,37)

vor. Johannes spricht hier von einem Vers aus dem Buch Sacharja in dem es heißt:

Doch über das Haus David und über die Einwohner Jerusalems werde ich einen Geist des Mitleids und des flehentlichen Bittens ausgießen. Und sie werden auf mich blicken, auf ihn, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie bei der Klage um den Einzigen; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint. (Sacharja 12,10)

Wurde also erfunden, dass Jesus von einer Lanze in die Seite gestochen wurde, damit sich dieses Wort erfüllt? Auch hier lässt sich feststellen, dass es zur normalen Hinrichtungspraxis der Römer gehörte, dass den (vermeintlich) Toten am Kreuz zur Sicherheit mit dem Pilum (der Standardspeer römischer Soldaten) in den Bauch gestochen wurde, um sicherzustellen, dass der Verurteile auch wirklich tot war. Schließlich „hafteten“ die Soldaten selbst mit ihrem Leben für den Hinrichtungserfolg. Deshalb lässt sich auch hier sagen, dass es viel wahrscheinlicher ist, dass es sich so abgespielt hat, als dem Evangelisten eine Lüge vorzuwerfen nur weil das Alten Testament den Text von Sacharja 14 enthält.

Zu guter Letzt nun wird in Johannes 19 aus einem Psalm wiedergegeben:

Er bewahrt ihm alle seine Gebeine, dass nicht eines von ihnen zerbrochen wird. (Ps. 34,21)

Herr Lurz zieht daraus die Folgerung, dass Jesu Tod einfach so umgeschrieben werden musste, dass er schnell starb. Dazu habe ich allerdings in meinem Leserbrief ausführlich Stellung bezogen und begründet, dass uns die Evangelien genügend Indizien dafür liefern, dass ein schneller Tod nicht unwahrscheinlich oder gar unmöglich gewesen ist. Leider wiederholt Herr Lurz diese nicht tragfähige Behauptung des Main-Echos einfach. Somit spricht auch hier nichts dagegen, dass die Erfüllung von Psalm 34,21 deshalb im Evangelium erwähnt wird, weil sie sich wirklich zugetragen hat. Vor allem, da dass Zerschlagen der Beine ebenfalls zur Hinrichtungspraxis der Römer gehörte, wenn ein schneller und qualvoller Tod eintreten sollte.

Nach diesen vier Punkten stellt Herr Lurz noch in Frage, ob man die Beschreibung des Gottesknechtes überhaupt auf die Passion übertragen kann, da Jesus davon ausginge, dass mit seinem Tod direkt das Endreich hereinbrechen werde. Die Behauptung, dass dies Jesus Überzeugung gewesen sei, findet sich vor allem bei vielen Religionskritikern (z.B. Heinz-Werner Kubitza, Karl-Heinz Deschner) und anderen, aber auch historisch-kritischen Theologen wie Rudolf Bultmann. Sie basiert primär darauf, dass man die Aussagen der Evangelien grundsätzlich als unhistorisch in Frage stellt und dann mit selbst-definierten Kriterien versucht, den historischen Jesus heraus zu filtern. Dies kann an dieser Stelle nicht erschöpfend diskutiert werden.
Zugute halten muss man Herrn Lurz, dass er selbst nur von höchstwahrscheinlich spricht. Denn ein Faktum liegt hier nicht vor. Was aber viel entscheidender ist: Selbst wenn die Aussage korrekt wäre und Jesus nicht direkt auf die Kreuzigung hingelebt hätte, sondern vom nahen Gottesreich ausging, so würde dies weder gegen die Erfüllung der oben genannten Prophezeiungen noch gegen die Beschreibung der Passion in den Evangelien an sich sprechen.

Der unhistorische Karfreitag Teil 2

Im lokalen Main Echo erschienen am 20. April zwei Leserbriefe, die auf die Leserbriefe Bezug nehmen, welche die Argumentation der Zeitung gegen die Glaubwürdigkeit der Karfreitagsereignisse kritisierten. Über meinen Leserbrief zu diesem Thema schrieb ich kürzlich. Auch wenn mein Name in diesen beiden Leserbriefen nicht genannt wird, fühle ich mich daher von den beiden Briefen angesprochen.

Der erste Brief

Hier nun zuerst der Inhalt des ersten Leserbriefes von Herrn Hartmut Posert:

Leserbrief 1

Diskussion des Briefs

Der Leserbriefbeschreiber beschwert sich darüber, dass in den vorigen Leserbriefen keine Begründungen für das Gesagte gegeben wären. Er selbst nutzt dagegen fast die Hälfte seines Briefes für den unpassenden Vergleich mit dem Osterhasen, dem Nikolaus und dem Christkind (sowie fiktiven Reaktionen von Eltern und Erziehern), der nichts zum eigentlichen Thema beiträgt.
Das einzige wirkliche Argument, das sich in obigem Leserbrief findet, bezieht sich auf zwei Sätze aus einer Predigt, die der Apostel Paulus laut der Apostelgeschichte (Apg. 13,29f) in der Synagoge von Pisidien hielt. Daraus wird im Leserbrief zitiert:

Als sie (die römischen Soldaten) alles vollbracht hatten, was in der Schrift über ihn gesagt ist, nahmen sie ihn vom Kreuzesholz und legten ihn ins Grab. Gott aber hat ihn von den Toten auferweckt.

Hier sei vorerst angemerkt, dass die Gleichsetzung: „Als sie (die römischen Soldaten) (…)“ im Leserbrief falsch ist, denn der Kontext des Textes sagt klar: „Sie = die Einwohner von Jerusalem und ihre Führer“. Bereits das erste Indiz, dass bei der Zitierung selektiv vorgegangen wurde. Hiermit bestätigt Paulus übrigens indirekt die Aussagen der Evangelien über den Ablauf der Verurteilung Jesu.

Aus obigem Zitat wird von Herrn Posert abgeleitet, dass Paulus weder von einem leeren Felsengrab, einer Auferweckung nach drei Tagen noch von Erscheinungen Jesu vor Petrus und den Frauen wisse. Das neue Felsengrab, in dem noch niemand bestattet worden war (vgl. Lk. 23,53) sei somit eine schöne Erfindung der Evangelisten und eine Fiktion.

Allerdings basiert hierbei alles auf einem argumentum ex silentio, sprich: Was in einer Quelle nicht gesagt wurde, hat es nicht gegeben. Dieser Typ von Argument ist per se schwach und wird in der historischen Forschung nur als plausibel angesehen, wenn das Beschriebene dicht erzählt wird und dennoch vermeintlich Wichtiges dabei nicht erwähnt. Betrachtet man nun den Kontext von Apg. 13,29f wird offensichtlich, dass Paulus in seiner kurzen Predigt eine Zusammenfassung der Geschichte des Volkes Israel von der Zeit des Exodus, über die Landnahme, die Zeit der Richter und Könige bis hin zu Tod und Auferstehung Jesu gibt. Ein Zeitrahmen von über 1000 Jahren in lediglich 15 Versen. Kann somit von einem dichten Bericht die Rede sein? Sicherlich nicht. Würde man hierin die Erwähnung von Details erwarten? Ebenfalls nicht. Somit besitzt das argumentum ex silentio hier keinerlei Tragfähigkeit. An dieser Stelle ist es für Paulus‘ Predigt auch vollkommen ohne Belang in welchem Grab und wie Jesus genau bestattet wurde.

Ebenso gibt es keinen Grund anzunehmen Paulus habe nicht um die Auferstehung in drei Tagen gewusst. Denn diese bestätigt schon Petrus in der Apostelgeschichte (Apg. 10,40) und Paulus wirkte am Anfang seinen Dienst zusammen mit den Aposteln in Jerusalem selbst (Apg. 9,27f). Er hatte also Informationen aus erster Hand. Hinzu kommt, dass Paulus zusammen mit Barnabas unterwegs war (Apg. 12,25), der einer der ersten war, die den Aposteln nachfolgten (Apg. 4,36) und von ihnen unterrichtet wurde. Also besagt sogar dieselbe Quelle, auf dich sich Herr Posert beruft, dass die drei Tage bereits in der frühesten Zeit der Urgemeinde allgemein bekannt waren.

Außerdem unterschlägt der Leserbriefschreiber den auf sein Zitat direkt folgenden Vers:

31 und er ist viele Tage hindurch denen erschienen, die mit ihm zusammen von Galiläa nach Jerusalem hinaufgezogen waren und die jetzt vor dem Volk seine Zeugen sind.

Hier wird direkt bestätigt, dass Paulus um die Erscheinungen vor Petrus weiß, vor allem, wenn man dessen Rolle unter denen bedenkt, die jetzt vor dem Volk seine Zeugen sind und die auch in der Apostelgeschichte ausgiebig thematisiert wird. Auch hier hat er keinen Grund weiter in Details zu gehen, da sie im Kontext der Predigt unerheblich sind.

Was ist von der Aussage zu halten die Auferstehung am dritten Tag sei eine deutlich spätere Erfindung der Evangelisten? Dass das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte aus einer Hand stammen ist unbestritten, wobei das Evangelium vor der Apostelgeschichte entstand und den dritten Tag mehrfach explizit erwähnt. Wenn die Evangelisten tatsächlich solche großen Fälscher gewesen wären und Paulus‘ Predigt damals wirklich so interpretiert worden wäre, dass man daraus den Schluss hätte ziehen können, er wisse nicht um die Auferstehung am dritten Tag, hätte man dann nicht einfach den Wortlaut seiner Predigt bei der Niederschrift leicht verändert? Korinther 15,4 zeigt des Weiteren unzweifelhaft, dass Paulus schon vom dritten Tag wusste bevor die Evangelien weite Verbreitung fanden. Generell liegt hier ein sehr schönes Beispiel von Bibelkritik mittels out-of-context Zitaten vor, wie sie leider häufig und gerne betrieben wird.

Ein weiteres Argument

In einem persönlichen Schreiben sendete mir Herr Posert indirekt ein weiteres Argument für die Unglaubwürdigkeit der Evangelien. So widersprächen sich diese im Ort der Himmelfahrt. Doch ist dies korrekt? Lukas 24,50 ist dabei relativ konkret und schreibt:

Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien (Lk 24,50).

Das zweite Evangelium, welches die Himmelfahrt erwähnt, ist Markus. Dort heißt es:

Später erschien Jesus den Elf selbst, als sie bei Tisch waren; er tadelte ihren Unglauben und ihre Verstocktheit, weil sie denen nicht glaubten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten. (Mk 14)

Darauf folgen seine Anweisungen an die Jünger und schließlich:

Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. (Markus 16,19)

Das Mahl hielten die Jünger in Jerusalem. Sie waren in einem Gebäude. Dass eine Himmelfahrt bzw. eine Aufnahme in den Himmel dagegen im Freien stattfindet, lässt vermuten, dass zwischen Vers 14 und 19 ein Ortswechsel stattfand. Betanien liegt lediglich rund zwei Kilometer von Jerusalem entfernt und der Weg führt über den Ölberg, einen Ort den Jesus sehr schätzte. Eine Harmonisierung der beiden Berichte ist somit keineswegs unmöglich, vor allem wenn wir uns vor Augen halten, dass die Antike Geschichtsschreibung bezüglich Orts- und Zeitangaben anderen Regeln folgte als unsere heutige Geschichtswissenschaft.

Der zweite Brief

Hier außerdem der zweite Brief:

Der zweite Leserbrief bleibt frei von Argumenten. Stattdessen strotzt er von Kritik ad hominem und Pauschalisierungen. Wer Drewermann und Küng nicht als Wahrheit anerkennt ist „dogmatisch fixiert“, die Quellen „fragwürdig“ und bloßer Glaube ist „Naivität“. Dagegen ist die andere Seite „modern“ und „seriös“. Angebliche Widersprüche zwischen Lukas und Paulus oder Fehlübersetzungen werden keine aufgeführt. Auch wäre interessant zu wissen, welche Antiken Quellen uns im Original vorliegen.

Der unhistorische Karfreitag

In unserer Lokalzeitung, dem Main Echo, erschien am 28.03.2018 (Mittwoch vor Karfreitag) folgender Beitrag (zum lesen Anklicken):

Dabei wird mit unbelegten Behauptungen und nicht tragfähigen Argumenten versucht, die Historizität der Passionsgeschichte zu verneinen und den Sinn des Karfreitags für den Menschen von heute umzudeuten. Dem widersprach ich in einem Leserbrief, der am 11. April veröffentlicht wurde. Hier die gedruckte Fassung (zum Lesen anklicken):

Die veröffentlichten Leserbriefe sind leider auf ca. 2000 Zeichen limitiert, so dass mein ursprünglicher Leserbrief gekürzt werden musste. Diesen habe ich daher im Folgenden in voller Länge angefügt.

Ist es sinnvoll in einem Beitrag gegen „wilde Theorien“ selbst derartige aufzustellen? Kaum, weshalb ich die inhaltlichen Fehler korrigieren möchte.

Zunächst ist es nicht unwahrscheinlich, dass Jesus einige Stunden nach der Kreuzigung starb. Er ist bereits physisch als auch psychisch stark geschwächt. Die Getsemani-Episode (Lk. 22,44) verdeutlicht die seelische Belastung. Er wurde bereits während des Verhörs vor dem Hohepriester körperlich misshandelt (Mk. 14,65; LK 22,63f). Die anschließende Geißelung mit dem Flagrum sorgte für hohen Blutverlust, vor allem, wenn die Anzahl der Schläge nicht begrenzt war. Man reichte den Verurteilten zum Ausgleich des Flüssigkeitshaushaltes und zur Verlängerung ihres Lebens etwas zu trinken, was Jesus ablehnt (Mk. 15,23). Anschließend misshandelten ihn Römische Soldaten abermals (Mk. 15,16f). Dass Jesus an der Grenze der körperlichen Belastbarkeit stand, wird dadurch verdeutlicht, dass Simon sein patibulum (den Querbalken) tragen musste (Mk. 15,21; Lk. 23,26). Sollte der Tod möglichst lange hinausgezögert werden, fesselte man die Verurteilten ans Kreuz. Jesus aber wurde angeschlagen. Dass man aufgrund des nahenden Hochfestes kein Interesse am langen Weiterleben der Gekreuzigten hatte, wird ausdrücklich gesagt, da man sie vor Beginn des Festes abhängen wollte (Joh. 19,31).

Die Beine brach man den Opfern nicht, um sie am Weglaufen zu hindern. Wie sollte jemand weglaufen, dem starke Nägel durch Hand- und Fußwurzelknochen in massives Holz getrieben wurden und der unter Bewachung stand? Man brach sie, um ein Abstützen des Opfers zu verhindern, welches das Atmen erleichtert. Somit beschleunigte man den Tod, machte ihn aber nochmals schmerzhafter. Daher wurden auch die Soldaten zu Jesus geschickt (Joh. 19,31f).

Gerade weil die Toten normalerweise für Aasfresser hängen blieben und nicht ehrenvoll nach jüdischem Gesetz begraben wurden, wird in allen Evangelien herausgestellt, dass ein Mann mit hoher Stellung um den Leichnam bittet, diese Bitte auch tatsächlich gewährt bekommt (Mk. 15,42f; Joh. 19,38f) und ihn gesalbt, in Leinen gewickelt in einem neuen Felsengrab beisetzt (Lk. 23,53, Joh. 19,38-41). Dies spricht für die Glaubwürdigkeit des Berichtes, nicht dagegen.

Markus (Mk. 16,9), Matthäus (Mt. 28,9) und Johannes (Joh. 20,14f) bestätigen alle, dass Jesus zuerst den Frauen erschien. Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass Frauen zu dieser Zeit nicht einmal das Recht hatten als Zeuge vor Gericht aufzutreten! Selbst Paulus, der nicht gerade für Lobeshymnen auf Frauen bekannt ist, verneint diese Erscheinungen in 1. Kor. 15,4 nicht. Er schreibt lediglich, dass Jesus Petrus erschienen ist, ohne sich darauf zu fixieren, dass dies die erste Erscheinung gewesen sei. Dass er die Frauen einfach nicht erwähnt, passt zu all seinen restlichen Schriften und auch ins Frauenverständnis seiner Zeit.

Die Aussage über die Entstehungszeit der Kreuzigungsberichte („weit nach dem angenommen Zeitraum“) ist so tendenziös wie falsch. Angesprochener Brief an die Korinther, der Kreuzigung, Tod und Auferstehung Jesu als Fakten behandelt (1. Kor. 15,3 – 8), wurde nach Mehrheitsmeinung in den Jahren 50/51 n.Chr. verfasst. Dies sind keine 20 Jahre danach. Das Markusevangelium, welches selbst von der historisch-kritischen Schule auf 68 -72 n.Chr. datiert wird, ist ebenfalls nicht „weit“ entfernt, sondern liegt noch in der Lebensspanne einiger Zeitzeugen. Damit sind sie näher an den Ereignissen, die sie beschreiben, als andere antike Quellen, die sich auch gegenseitig noch stark widersprechen (Hannibals Alpenüberquerung, Biographien Alexanders des Großen).

Der Artikel steckt also so voller tendenziöser und falscher Aussagen, dass es mir teilweise schwer fiel den Brief sachlich zu halten. Somit kann ich durchaus nachvollziehen, dass bei einem anderen Leserbriefschreiber zum gleichen Artikel in derselben Ausgabe der Zeitung die Wortwahl sehr hart ausfällt:

Ein Medienhaus, das auf seiner Titelseite in der Karwoche über die wesentlichste Glaubensaussage der Christenheit berichtet, sollte sich dazu einen Redakteur auswählen, der selbst glaubt und der noch eine Ahnung von dem hat, was Glauben heißt. Der wirklich glaubende Leser erkennt sofort, dass in diesem Artikel willkürlich die verschiedensten Klischees gegen den christlichen Glauben zusammengewürfelt wurden, um den authentischen Glauben massiv anzugreifen.
Das falsche Geplapper fällt jedoch auf das Medienhaus zurück und lässt die antikirchliche Grundhaltung der Redaktion deutlich werden.

Norbert Rohde an Prof. Heinrich Bedford-Strohm

Im Folgenden sei zuerst ein Leserbrief von Norbert Rohde an Prof. Heinrich Bedford-Strohm wiedergegeben. Die störenden Hervorhebungen durch Fettdruck im Original sind hierbei entfernt worden. Der Brief wurde anlässlich eines Interviews der Zeit mit Bedford-Strohm [1] verfasst. Anschließend folgt ein Kommentar vom Autor dieses Textes zum Geschriebenen.

1. Der Leserbrief

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Bedford-Strohm,

vor ein paar Tagen fiel mir der obige Artikel in die Hände. Ich erlaube mir, Ihrer folgenden Behauptung zu widersprechen: „Lange Zeit dachten wir, der Mensch habe das Recht, sich der Natur zu bemächtigen. Theologie hat mithilfe der Ökologiebewegung herausgearbeitet, dass das, was in der Bibel „Herrschaft über die Erde“ heißt, nichts anderes bedeutet als „Pflege der Natur“.

Die entsprechenden Bibeltexte lassen aber eine derartige Interpretation nicht zu.

In Genesis 9, 1-2 spricht Gott (Jahwe) zu den Menschen: „Seid fruchtbar, mehret euch und füllet die Erde. Furcht vor euch und Schrecken sei bei allen Erdentieren, bei allen Himmelsvögeln, bei allem, was auf dem Erdboden kriecht und bei allen Fischen des Meeres, in eure Hand sind sie gegeben!“

Von einer „Hege und Pflege der Natur“ ist in der Bibel nicht die Rede.

Der unvollkommene, fehlerhafte Mensch soll als vermeintliche Krone der Schöpfung die Erde und ihre Tierwelt mit Furcht und Schrecken beherrschen? Wie wir wissen, hat diese vermeintlich „göttliche“ Anordnung zu einer gnadenlosen Ausbeutung der Erde durch eine ungebremste Bevölkerungsexplosion sowie zu einer Verarmung großer Landesteile, zu Hunger, Krankheiten und Elend vieler Volksgruppen, zur Dezimierung der artenreichen Tier- und Pflanzenwelt, zur Umweltvergiftung und sukzessiven Zerstörung der Schöpfung geführt … durch den (angeblich) gottebenbildlichen Menschen. Sollte ein allwissender, weiser, allmächtiger und absolut vollkommener Gott nicht voraus gesehen haben, welchen Prozess er mit seiner Forderung nach Genesis 9, 1-2 in Gang bringen würde?

Sehr geehrter Herr Heinrich Bedford-Strohm, Sie fordern von ihren Gläubigen: „Leben sie im Hier und im Jetzt.“ Doch was verstehen Sie unter „Hier und Jetzt“?

Bekanntlich sieht das „Hier und Jetzt“, also die reale Wirklichkeit des irdischen Daseins für Menschen, Tiere und Pflanzen anders aus als jener Wunschtraum, den uns manche Theologen von diesem Leben nahe bringen wollen. Das irdische Leben ist nach Gottes Willen nur möglich, wenn es anderes Leben zerstört und „auffrisst“. Das „Recht der Stärkeren“ ist – wie wir seit Darwin wissen – ein ehernes Naturprinzip. Der tägliche Kampf ums Dasein ist für alle Lebewesen eine zwingende (gottgewollte?) Notwendigkeit. Sie hat recht wenig mit den Vögeln der Bergpredigt zu tun, die vom himmlischen Vater ernährt werden, obwohl sie weder säen noch ernten. Zwischen dem Glauben an die göttliche Makellosigkeit der Schöpfung und der mangelhaften Wirklichkeit unseres Daseins klafft ein unüberbrückbarer Graben. Ich will versuchen, die Widersprüchlichkeit zwischen der monotheistischen Glaubenthese vom absolut guten, lieben, weisen, allwissenden Gott und der realen Wirklichkeit unseres (absolut unvollkommenen) Seins deutlich zu machen.

In der Bibel ist tausend mal mehr von einem furchterregenden, völkervernichtenden, steinigenden Gott die Rede als von einem väterlichen, lieben und barmherzigen Gott.

In Exodus 23, 27 spricht Jahwe: „Ich will meinen Schrecken vor dir hersenden und
jedes Volk, zu dem du (Moses) kommst, will ich zum Verzagen bringen!“

In Deut.13, 7-11 befiehlt Jahwe: „Wenn dein Bruder, dein Sohn oder deine Tochter oder die Frau an deiner Brust oder dein Freund, den du so lieb hast wie dein ich, dich heimlich verführen wollen und sagen: „Lass uns doch hingehen und anderen Göttern dienen … , so sollst du sie dem Tod überliefern … mit Steinen sollst du sie zu Tode steinigen“. Bekanntlich war im AT die Steinigung Jahwes Lieblingsstrafe, sie wird auch heute noch im Islam praktiziert.

Auch Jahwes (angeblicher) Sohn, Jesus von Nazareth, hatte für sich gefordert: „Wenn jemand zu mir kommt, aber Vater und Mutter und Frau und Kinder und Bruder und Schwester, ja auch sich selbst nicht hasst, so kann er nicht mein Jünger sein“ (Lukas 14, 26).

In Matthäus 10, Vers 35 sagt Jesus: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Sohn mit dem Vater zu entzweien, die Tochter mit ihrer Mutter, die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. So werden (durch mich) des Menschen Feinde seine eigenen Hausgenossen.“
Im gleichen Sinne äußert sich Jesus in Lukas 12: „Glaubt nicht, ich sei gekommen Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen und wie gerne möchte ich, es loderte schon empor“

Der hl. Paulus hatte im Römerbrief 1,19 behauptet : „Seit Erschaffung der Welt wird Gottes unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen“. Auch der jüdische Philosoph Baruch de Spinoza (1632-1677) war fest davon überzeugt: „Es darf und kann keinen Widerspruch geben zwischen dem Buch der Natur und dem Buch der Heiligen Schrift“. Auch für den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716) war “die bestehende Welt die beste aller möglichen Welten“.

Im Gegensatz hierzu hatte 1851 der englische Naturforscher und anglikanische Priester Charles Darwin nach Abschluss umfangreicher Forschungsreisen feststellen müssen: „Ein Teufels-priester könnte ein Buch schreiben über die unbeholfenen, verschwenderischen, stümperhaften, gemeinen und fürchterlich-grausamen Werke der Natur.“ Dank der heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse können wir uns ein weit besseres Bild von der WIRKLICHKEIT unserer Welt machen, als noch vor 100 Jahren. Was man früher nicht wissen konnte, das weiß heute bereits so manches Kind: Die Welt scheint das Werk eines DÄMONEN zu sein und nicht das Werk eines LIEBEN GOTTES.

Die Bibel sagt, dass kein Sperling zur Erde fällt ohne den Willen des himmlischen Vaters,
sogar die Haare des Hauptes seien gezählt (Matth. 10, 30/31). Nichts geschieht im Universum
ohne Wissen und Wollen des LIEBEN GOTTES . Das betrifft auch unsere Bittgebete, die alltäglich von Millionen Gläubigen zum Himmel geschickt werden.

Jesu Worte in Matth. 7, 7-11: „Bittet, und es wird euch gegeben; suchet, und ihr werdet finden; klopfet an, und es wird euch aufgetan. Denn jeder, der bittet, empfängt; wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan. Wer von euch wird seinem Sohn einen Stein geben, wenn er ihn um Brot bittet? Oder wer wird ihm eine Schlange geben, wenn er ihn um einen Fisch bittet? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn darum bitten!“

Jesu Worte in Matth. 18, 19-20: „Wenn zwei von euch auf Erden um irgend etwas einmütig bitten, so wird es ihnen von meinem himmlischen Vater zuteil werden. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

In der realen Praxis sind aber alle Gebete in den Wind geblasen, genauso wie bei den tibetanischen Gebetsmühlen. Die Bittenden empfangen erfahrungsgemäß eine Schlange, wenn sie um einen Fisch gebeten haben. Alle Naturkatastrophen kommen und gehen unabhängig von der Flut aller Gebete. Die angeblich von einem „Schöpfergott“ geschaffene Natur steckt voller Fehler und Grausamkeiten, hinter denen man keinen absolut vollkommenen Designer erkennen kann, sondern das völlige Gegenteil.

Schauen wir uns eines unter vielen anderen grausamen Beispielen aus der göttlichen Schöpfung an: Die Juwelwespe (Ampulex compressa), die in Afrika, Indien und dem pazifischen Raum heimisch ist, nutzt Küchenschaben als Brutstätte für ihre Larven. Damit die Wespe die Kakerlake in ihr Nest schaffen kann, bändigt sie die Schabe mit einem ersten Stich und setzt dann einen
weiteren präziseren Stich direkt ins Gehirn ihres Opfers. Danach ist die Schabe nicht vollständig außer Gefecht gesetzt. Sie kann sich nach wie vor fortbewegen, tut das aber nicht selbstständig, sondern lässt sich von der Wespe am Fühler geführt ins Nest der Wespe führen. Dort legt das Tier ein Ei in den Bauch der Schabe, und die später schlüpfende Larve frisst langsam das Insekt von innen her auf.

Jean Henry Fabre, der große französische Naturforscher, beschrieb das Schicksal einer paralysierten Grille folgendermaßen : Man kann sehen wie die Grille, bis ins Innerste angefressen, vergeblich ihre Fühler und Abdominalsegmente bewegt, die leeren Kiefer öffnet und schließt, und vielleicht sogar einen Fuß bewegt, aber die Larve ist sicher und durchsucht ungestraft ihre Organe. Fabre fütterte die Opfer mit Zuckerwasser und zeigte so, dass sie am Leben waren, fühlen konnten und – so implizierte er – für jede Linderung ihres unausweichlichen Schicksals dankbar waren.

Auch andere Schlupfwespen verbringen ihr Larvenstadium als Parasiten im Körper von Raupen, Blattläusen, Grillen oder Spinnen. Die Wespenmutter legt ihre Eier in den Körper des Opfers, das durch den Stich gelähmt, aber am Leben gelassen wird, denn eine verwesende Leiche nutzt dem Parasiten nicht viel. Sobald die Larven schlüpfen, beginnen sie ihr makabres Werk, genauso wie die Juwelwespenlarven. Sie fressen das Opfer langsam aber unerbittlich von innen her lebendi-gen Leibes auf. Dabei fressen sie zunächst nur die Fettschicht und die Verdauungsorgane ihres Opfers. Die lebensnotwendigen Organe – Herz und Nervensystem – bewahren sie sich bis zum Schluss auf. Erst dann wird das Opfer getötet und eine neue Wespe schlüpft durch die leere Hülle nach draußen.

Charles Darwin legte 1860 (in einem Brief an den Botaniker Asa Gray, einem gläubigen
Christen) den Finger in die Wunde: „Ich gestehe, dass ich Beweise von Planung und
Wohlwollen um uns herum nicht so klar sehen kann wie andere, wie ich es gerne sehen würde. Mir scheint, es gibt in der Welt zu viel Elend. Ich kann mich nicht recht damit befreunden, dass ein gütiger und allmächtiger Gott bewusst die Ichneumonen (der Schlupfwespen) mit der ausdrücklichen Absicht erzeugt haben soll, dass sie sich vom lebenden Körpern der Raupen ernähren sollen“.

Das Prinzip des Lebens heißt in der Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt: „Fressen und
gefressen werden“. Das von einem LIEBEN GOTT geschaffene Leben funktioniert
nur, wenn es anderes Leben zerstört und auffrisst. Selbst Albert Schweitzer, der große Prediger der «Ehrfurcht vor Gott und dem Leben», musste «schmerzvoll» einräumen: Die Natur
kennt keine Ehrfurcht.

Nicht nur das Verhalten der oben genannten Tierarten, sondern die Verhaltensweisen aller
Lebewesen sind von Natur aus in ihrem artspezifischen Genom einprogrammiert. Jedes
Lebewesen kann nur das tun, wofür es von seinem genetischen Instrumentarium
(Genom) befähigt worden ist. Das trifft natürlich auch für jeden Menschen zu.

Alle Lebewesen unserer Erde erleben seit ihrem Bestehen die Natur als äußerst grausam: Wir werden von Erdbeben, Tsunamis, Vulkanausbrüchen, Flächenbränden, Überschwemmungen, Dürre- und Hungerkatastrophen heimgesucht, die Tausende oder Hunderttausende (zumeist Kinder) dahinraffen. Wir werden gequält von Krätzmilben, Aidsviren und Hakenwürmern, die die Darmwände zerfressen, von Stechrüsseln und Giftstacheln, die die Kopfhaut derart schinden, dass in Afrika manche armen Teufel den Schädel unter den Harnstrahl einer Kuh halten, um das Ungeziefer loszuwerden.

Unbestritten wissen wir heute, dass die Schöpfung bzw. die Evolution eine Serie verhängnisvoller Fehler enthält. Sie beruht auf natürlicher Selektion, auf genetisch erworbenen Unterschieden und auf der Fähigkeit zur Reproduktion. Sie braucht Variation und kann nur mit
dem arbeiten, was zufällige Mutationen ihr bieten. Das Resultat sieht oberflächlich betrachtet oft nach Perfektion aus, ist aber das genaue Gegenteil.

Die Evolution kennt das Konzept der Perfektion ebenso wenig wie das der Komplexität.
Beides entsteht erst im Auge des Betrachters. Das evolutionäre Lied hat viele Dissonanzen. Es scheint nicht das Werk eines großen Komponisten, sondern eines Arbeitstiers ohne Bewusstsein zu sein. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus hat kein grandioser Ingenieur unsere Welt geschaffen. Es muss ein Kesselflicker gewesen sein.. Ob es einen großen Designer da draußen gibt, ist nicht Gegenstand der Wissenschaft. Wenn es ihn geben sollte, beweist die Evolution vor allem eins: Er erledigt seinen Job miserabel und ist alles andere als ein „absolut vollkommenes, göttliches “ Wesen, wie unsere Theologen behaupten.

Kein Wunder, dass die geplagte Menschheit aufgrund der Boshaftig- und Hässlichkeiten
der Natur schon immer von einem „Paradies“ geträumt hat. Die Lebensverhältnisse müssen
bereits vor Adam und Eva – bzw. vor dem Erscheinen der ersten Hominiden – also vor 4 Millionen Jahren – alles andere als paradiesisch gewesen sein. So gab es beispielsweise in den letzten 500 Millionen Jahren mehrere große Naturkatastrophen, bei denen jeweils die Hälfte aller Tierspezies ausstarb. Vor ca. 250 Millionen Jahren wurden sogar 95 % aller Meeresbewohner, sowie 75 % aller Reptilien- und Amphibienarten ausgelöscht. Auch ein Drittel aller Insektenarten verschwand von unserer Erde. Fast alle an Land lebenden Wirbeltiere starben etwa 40 Millionen Jahre später aus. Als Ursache für das große Artensterben werden eine Reihe von außergewöhnlich heftigen Vulkanausbrüchen angenommen.
Nach den fünf globalen Katastrophen, die sich vor 65 bis 500 Millionen Jahren ereignet haben, erwarten wir diesmal die sechste Katastrophe, die vom angeblichen Abbild eines vermuteten göttlichen Schöpfers, dem Menschen, verursacht sein wird. Getreu der göttlichen Forderung (Genesis 9, 1-2) hat sich die Spezies Mensch schrankenlos vermehrt und sich die Erde rücksichtslos mitsamt den Tieren und Pflanzen untertan gemacht … ohne jemals die negativen Folgen seiner „Ausbeutungspraktiken“ bedacht zu haben.

Das – JAHWE in den Mund geschobene – Eigenlob (Genesis1, 31): „Gott sah alles, war er gemacht hatte und fürwahr, es war sehr gut“, lässt sich weder mit den historischen, katastrophalen, erdgeschichtlichen Ereignissen noch mit den oben geschilderten Schöpfungspannen vereinbaren. Der theologische Wunsch und die reale Wirklichkeit sind nicht deckungsgleich, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:

Alljährlich werden weltweit 5 Millionen Kinder geboren, die schwerstbehindert sind, so dass sie ohne menschliche Hilfe nicht überlebensfähig sind. Über 10% dieser Neugeborenen sterben noch vor dem fünften Lebensjahr. Die Zahl der missbildeten Tiergeburten ist naturgemäß weit höher, weil auf unserer Erde milliardenfach mehr Tiere als Menschen leben. Das Leid der Tierwelt, die sich im Gegensatz zum Menschen, nicht selber helfen kann, schreit zum Himmel, von dem allerdings keine Hilfe zu erwarten ist. Bei allen natürlichen Fehlbildungen und Krankheiten denkt man unwillkürlich an den LIEBEN GOTT des Alten Testaments, der seinem Lieblingsvolk, den mosaischen Juden, verboten hatte, fehlgebildete und kranke Tiere ihm zu Ehren als Brandopfergabe darzubieten. Missbildete und kranke Menschen und Tiere waren für ihn „unrein“ und seiner „nicht würdig“, genauso wie „Priester mit körperlichen Gebrechen“ für den LIEBEN Gott „unrein“ waren. In Leviticus 21, 23 fordert JAHWE: „Wer ein Leibesge-brechen hat, soll meine Heiligtümer nicht entweihen, denn ich bin der Herr, der sie heiligt”. Unwillkürlich denkt man hierbei auch an die Leibesgebrechen des verstorbenen Papstes Johannes-Paul II.

Die allermeisten Fehler der Evolution (bzw. Schöpfung) haben genetische Ursachen. Das zeigte eine Analyse von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön, die das Alter von 4.000 Chromosomenabschnitten untersucht hatten, die mit Erbkrankheiten in Zusammenhang stehen. Diese Krankheitsgene existieren bereits seit dem Ursprung der ersten Zellen – sind also uralt und auch nach mehreren Millionen Evolutions-Jahren immer noch nicht ausgemerzt. Weltweit sind rund 9000 genetisch bedingte Krankheiten erfasst; Krankheiten, deren Ursache in Fehlbildungen und negativen Mutationen der menschlichen Gene liegen. In Deutschland leiden derzeit ca. 5 Mio. Menschen unter solchen Krankheiten, das sind 6% der Bevölkerung. Wenn es diesen JAHWE in Wirklichkeit gäbe, müsste man ihm vorhalten, dass es in seiner „Schöpfung“ nur so von allerlei Leibesgebrechen wimmelt. Erfahrungsgemäß kann man von der Qualität eines Meisterhandwerkes auf die Qualität des Handwerksmeisters schließen. Wenn das auch für den vermuteten Schöpfer der Welt zutrifft, so ist der LIEBE GOTT ein miserabler Pfuscher und weder ein weiser, allmächtiger, allgütiger, noch ein treu sorgender und superlieber Gottvater!

Bis in das 17. Jahrhundert war es für eine Frau nicht nur aus anatomischen (weil geburtshinder-lichen) Gründen gefährlich, eine Missbildung auf die Welt zu bringen. Da es noch keine wissenschaftlichen Theorien über die Entstehung von Fehlbildungen gab, herrschten abenteuer-liche und abergläubische Spekulationen über diese „wunderbarlichen, seltzamen und erschröck-lichen Kindsgepurten“ vor. Hatte die arme Gebärende Glück, so wurde ihr nur ein liederlicher und sündhafter Lebenswandel unterstellt, wofür Gott sie eben mit einem Monster strafte. Hatte sie Pech, verdächtigte man sie des geschlechtlichen Verkehrs mit niemand Geringerem als dem Beelzebub, und gar nicht selten endete das Schicksal dieser „lasterhaften Weibsperson“ auf dem Scheiterhaufen. Irre Hypothesen haben die Menschheit stets in die Irre geführt und viel Unheil angerichtet.

Das Lesch-Nyhan-Syndrom

Welche Auswirkungen die „göttlichen Schöpfungspannen“ für die davon betroffenen Menschen haben können, das zeigt uns ein Beispiel aus einer Palette von nahezu 4000 genetisch bedingten
Abnormalitäten. Es handelt sich um das wenig bekannte Lesch-Nyhan-Syndrom, einem Defekt in einem einzigen Gen, das die Betroffenen zwingt, sich zu verstümmeln. Kai Menken aus Nordhorn ist eines dieser bedauernswerten Opfer der „Missratenen Schöpfung“. Kai hat Grund, seine Hände zu fürchten, besonders die linke. Ohne Vorwarnung greift sie ihn an. Sie schlägt ihn
ins Gesicht. Oft geht dann, zu Kais Entsetzen, der Mund auf, und sogleich fährt die Hand hinein, der Kiefer schnappt zu, und die Zähne verbeißen sich in den Fingern. Der Junge kann nichts dagegen tun; er erlebt seinen Körper wie einen Unterschlupf fremder Rebellen, die immer wieder rücksichtslos gegen ihn wüten. Jederzeit muss er mit Attacken rechnen. Kai Menken hat eine seltene Erbkrankheit, genannt Lesch-Nyhan-Syndrom (LNS). In ganz Deutschland gibt es kaum 20 seines Schlags, und alle zeigen ein ähnliches Bild. Sie leben im Rollstuhl, fest verpackt und oft mehrfach gesichert: Helm, Mundschutz, dicke Handschuhe. Immer wieder überkommt sie der Zwang, sich selbst zu verletzen. Einigen wurden alle Zähne gezogen, weil sonst nichts mehr gegen die Beißwut half. Viele weisen Narben auf im Gesicht und an den Händen, manchen fehlen ganze Fingerglieder.

Sollte hier ein absolut böser Gegenspieler des absolut guten Gottes am Werk sein ? Wer hat ihn mit dieser Aufgabe betraut ? War es der allwissende und allmächtige Gott, von dem die Bibel sagt, dass er sowohl außerordentlich gütig, barmherzig und liebevoll ist als auch äußerst weise, allmächtig und allwissend ? Nein, der sogenannte „Stellvertreter Gottes“, der Papst in Rom, ist nach wie vor davon überzeugt, das er der beste aller Götter ist. Er schreibt im vatikanischen „Katechismus der Katholischen Kirche“ :In 1 Joh. 4,8 und 16 steht geschrieben: „Gott ist die Liebe … Liebe ist das Wesen Gottes “. Ist es nicht bemerkenswert, dass Menschen zu Ihren Kindern weit gütiger und liebenswerter sein können als der biblische Jahwe? Ist es nicht bemerkenswert, dass Menschen – wenn sie allmächtig wären – die Welt humaner, gerechter und freudvoller gestaltet hätten als der biblische Jahwe ?

Wenn Menschen sich eine Welt ohne Leid, Krankheiten, Boshaftigkeiten und Grausamkeiten vorstellen können und sehnsüchtig herbeisehnen, warum kann das nicht auch der allmächtige Gott der Bibel ? Wenn Jahwe das Werk von Menschen ist, dann kann er nicht angeklagt werden. Verklagt werden können aber jene Menschen, die mit diesem Phantom Macht über andere Menschen ausüben und ihre gläubigen Schafe bewusst in die Irre führen.

Zitiert aus dem Buch „Mein Abschied von der Bibel: Vom alten Glauben zum neuen Wissen“ von Norbert Rohde, ISBN 978-3-8370-9908-9. Lesproben bei Amazon.de und Google-Bücher.

2. Kommentar
Der Leserbrief wurde mir mittlerweile zweimal weitergeleitet. Beim zweiten mal mit der folgenden Formulierung:

Sehr verehrter Webmaster,

ich empfehle Ihnen, den beiliegenden Brief in Ihrer Webseite zu veröffentlichen. Sicherlich würde das die geringe Zahl Ihrer Leser weit mehr interessieren als Ihre bisherigen lveröffentlichten, angweiligen Bauchnabelschauen. [E-Mail von Norbert Rohde an den Autor, 02.03.2012, Alle Rechtschreibfehler im Orginaltext]

An Selbstvertrauen fehlt es dem Sender also weiterhin nicht. Erneut scheinen aber hellseherische Fähigkeiten im Spiel zu sein, da behauptet wird www.theismus.de verfüge über eine geringe Anzahl von Lesern. Da auf der Homepage kein Counter installiert ist bzw. keine Nutzerstatistiken veröffentlicht werden, kann jeder Leser für sich selbst entscheiden, was er von derartigem Vorgehen hält. Gleiches gilt für die Aussage, dass die bisherigen Beiträge für Leser uninteressant seien. Derartiges Verhalten ist der Autor dieses Artikels allerdings schon seit Jahren vom Schreiber des Leserbriefes Norbert Rohde gewohnt, weshalb an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen wird. Daher zum eigentlichen Leserbrief.

2.1 Die Ausbeutung der Erde
Auffällig ist, dass sich das Interview mit Heinrich Bedford-Strohm [1] über drei Seiten erstreckt, wohingegen im Leserbrief nur ein einziger Satz davon herausgegriffen wird. Dieser sei gleich zu Beginn einmal vollständig zitiert, da etwas entscheidendes daraus im Leserbrief unterschlagen wird:

Als es um unser Verhältnis zur Schöpfung ging. Lange Zeit dachten wir, der Mensch habe das Recht, sich der Natur zu bemächtigen. Theologie hat mithilfe der Ökologiebewegung herausgearbeitet, dass das, was in der Bibel Herrschaft über die Erde heißt, nichts anderes bedeutet als Pflege der Natur. Das Wort Herrscher ist im Alten Testament nie losgelöst von der Aufgabe des Königs, für die Schwachen zu sorgen und sie zu schützen. Das kann man auch auf die Natur übertragen. Herrschen über die Erde heißt Haushalten. [1]

Die wichtige Passage mit den Aufgaben des Königs wird im Leserbrief unterschlagen und direkt behauptet es gäbe keine biblischen Belege für Bedford-Strohms Aussage. Nimmt man Prof. Bedford-Strohms dagegen beim Wort bzw. ohne Auslassungen, ergibt sich daraus schon ein anderes Bild. Durch die Bibel zieht sich ein Bild, wie der „optimale“ König zu herrschen hat. Am besten beschreibt dies die Offenbarung:

1 Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. (…) 3 Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. 4 Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. (Offb. 21:1,3)

Bei seinem ersten Kommen hat Jesus bereits Teile dieses Königtums angedeutet und entsprechende Zeichen getan (vgl. Mt 11,5, sowie sämtliche Heilungen und Totenerweckungen). Wichtig ist auch die stete Gleichsetzung des Königs mit dem guten Hirten (vgl. Joh. 10). Dennoch ist das nur die eine Seite dieses Herrschers. Denn eine weitere seiner Facetten ist die Eigenschaft des Richters [z.B. 2Kor 5,10]. Wer sich trotz all seiner Bemühungen dem Herrscher widersetzt, muss mit einem entsprechenden Richterspruch/Urteil rechnen. Somit haben alle Menschen (Ehr-)Furcht vor diesem Herren und bei denjenigen, die ein für sich negatives Urteil befürchten müssen, ist sicher auch Schrecken vor ihm ein Thema. Dabei handelt es sich bei diesem Herrscher eben nicht um einen ausbeutenden Tyrannen, sondern einen gerechten Richter.
Des Weiteren sei auch hier auf das Problem der Übersetzung angesprochen. Moderne Bibelkritik übersieht oft, dass der Bibel ein Jahrtausende alter Urtext zu Grunde liegt, der sich nicht immer exakt in unsere heutige Sprache übertragen lässt. Daher wird in [2] auf folgendes hingewiesen:

Was ist mit dem „untertan Machen“ und „Herrschen“ genau gemeint? Im Hebräischen stehen hier zwei Verben, kabasch und radah. kabasch heißt: „sich etwas unter die Füße nehmen“ und bezeichnet die Arbeit des Gärtners, der die Erde segensvoll bewirtschaftet. radah ist das Wort für das schützende und fürsorgliche Umherziehen des Hirten mit seiner Herde. (…) Der Mensch soll mit den Geschöpfen, die seinen Lebensraum teilen, schützend und fürsorglich umgehen. ([2], S. 2)

Betrachtet man die Sachlage also differenziert, existiert nicht zwangsweise ein Widerspruch zwischen der Aussage von Prof. Bedford-Strohm und dem Buch Genesis, sondern beides lässt sich ohne große Schwierigkeiten harmonisieren. Ebenso existieren weitere biblische Aussagen zu diesem Themenkomplex, welche das oben Geschriebene ergänzen:

Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte. (Gen 2:15)

Hier wird das Hüten explizit als Aufgabe des Menschen genannt. Auch heißt es in Offenbarung 11:18, dass Gott all jene verderben werde, welche die Erde verderben.

Allerdings versäumt es Bedford-Strohm seine Behauptung mit Argumenten und Beispielen zu untermauern, während Norbert Rohde gewohnt durch „geschicktes“ Zitieren auf Nebenschauplätze ausweicht, auf denen er meint sich sicherer fühlen zu können. Dass die Erde vom Menschen ausgebeutet wird, steht außer Frage, ebenso, dass dies natürlich alles andere als gut ist. Allerdings macht man es sich zu einfach, dieses Phänomen auf Genesis 1 zu schieben und zu behaupten: „Ohne Bibel gäbe es das nicht“ oder noch extremer „Ohne das Alte Testament würde keine Ausbeutung der Erde existieren“. Genau dies soll durch den Leserbrief aber suggeriert werden. Ein Blick auf unsere Erde genügt allerdings, um diese Aussage ad absurdum zu führen. Die fünf größten CO2-Produzenten sind momentan China, die USA, Indien, Russland und Japan. Hierbei sind lediglich die USA ein überwiegend christliches Land und könnten sich somit auf die Bibel berufen. Was ist mit den anderen vier? Auch die Ausbeutung des Menschen durch miserable Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne konzentriert sich wohl kaum auf christliche Länder. Hier gilt eben, was die Bibel so treffend feststellt:

Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren. [Röm 3,23]

Es handeln also alle Menschen fehlerhaft, seien sie Christ, Muslim, Atheist oder etwas anderes. Bei der Ausbeutung der Natur geht es nicht um die Erfüllung eines göttlichen Gebotes (selbst wenn die entsprechende Passage im Buch Genesis so gemeint gewesen wäre), sondern es geht um Gewinnmaximierung und ein möglichst schönes Leben für die Ausbeuter. An dieser Tatsache kann man nichts drehen, auch wenn es Herr Rohde hier versucht und vor der Realität die Augen zu verschließen scheint. Einen Vorwand wird der Mensch dagegen immer vorschieben können. Natürlich ist es möglich zu behaupten „Gott hat es uns im AT befohlen“ oder ebenso „Für das Wohl des Kollektivs muss es so sein“, doch der wirkliche Grund wird stets derselbe sein.

2.2 Stilmittel ignoriert
Im weiteren Verlauf des Leserbriefes folgt eine Auflistung von Bibelstellen, anhand derer ein grausamer Gott belegt werden soll. Besonders interessant sind dabei die beiden Stellen aus dem NT, nämlich Lukas 14:26 und Matthäus 10:35. Diese zieht Herr Rohde des Öfteren heran, um die Grausamkeit der Bibel und vor allem des Neuen Testaments zu belegen. Dass diese Stellen dabei uminterpretiert und verdreht werden müssen, stört wohl eher weniger. Allerdings wurde auf diesen Sachverhalt schon vor rund drei Jahren auf dieser Homepage aufmerksam gemacht [3]. Dem Leser sei daher an dieser Stelle die Lektüre von [3] nahegelegt. Das Fazit des angesprochenen Artikels ist: Jesus redet in Gleichnissen, Bildern, Metaphern und nutzt auch ansonsten immer wieder sprachliche Stilmittel wie Hyperbeln, Chiasmen oder Antithesen, um das von ihm Gesagte besonders Einprägsam für seine Zuhörer zu gestalten. Hier ein Portrait von Jesus mit dem blutigen Schwert in der Hand auszumalen, geht an der Aussageabsicht des biblischen Textes vollkommen vorbei, was bei genauem Lesen und Reflektieren der Passagen auffällt.

2.3 Fressen und Gefressen werden
Ein bemerkenswertes Zitat aus dem Leserbrief ist folgendes:

Sehr geehrter Herr Heinrich Bedford-Strohm, Sie fordern von ihren Gläubigen: „Leben sie im Hier und im Jetzt.“ Doch was verstehen Sie unter „Hier und Jetzt“?

Wieso Herr Rohde die Frage stellt, was Bedford-Strohm unter dem Hier und Jetzt versteht erschließt sich nicht. Soweit es von außen erkennbar ist, sind sich die beiden Herren darüber einig, dass damit eben unsere aktuelle Zeit im Jahr 2012 (bzw. während der Verfassungszeit des Briefes 2011) gemeint ist. Doch eben genau dieser Sachverhalt bereitet Rohdes Argumentation Probleme. So plastisch er auch die Gnadenlosigkeit im Tierreich darstellt, vor allem am Beispiel der Schlupfwespen (Ichneumonidae), so wenig hat dies etwas mit der Aussage von Herrn Bedford-Strohm zu tun, dass Theologie zusammen mit der Ökologiebewegung die wirkliche Bedeutung von Genesis 1 herausgearbeitet habe. Aber selbst, wenn das Themengebiet des Fressens und Gefressen Werdens Teil des Zeit-Interviews gewesen wäre, können die Aussagen von Rohde nicht überzeugen. Niemand bezweifelt, wie es heute im Tierreich zugeht, dass eine Nahrungskette existiert, dass die Fleischfresser andere Tiere jagen und zerlegen, dass Schlupfwespenlarven ihre Wirtstiere töten. Allerdings muss auch hier eine falsche Übersetzung von Charles Darwin herhalten, um das Bild noch drastischer wirken zu lassen. Dass die bekannte Erkenntnis survival of the fittest im Sinne der Evolutionstheorie und auch der Beschreibung der Realität korrekterweise mit Überleben des am besten Angepassten übersetzt werden sollte, wird im Leserbrief gekonnt ignoriert. Rhetorisch mag es geschickt sein, doch aus biologischer Sicht ist es falsch. Dennoch: Die entscheidende Frage ist nicht, wie es heute ist, sondern wie es ursprünglich war. Die Erde, wie wir sie heute erleben, ist nicht mehr das, was Gott als „gut“ bezeichnete, sie ist nicht mehr das Paradies, nachdem sich die Menschheit seitdem sehnt. Dass sie Welt nach dem Sündenfall dem Zerfall anheimfiel und sich somit vollkommen veränderte wird in der Bibel klar gesagt.

19 Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. 20 Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: 21 Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. 23 Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. (Röm 8:19-23)

Doch nicht nur mit dem Sündenfall verändert sich das Angesicht der Erde deutlich, auch nach der Sintflut tritt ein großer Wandel ein, indem den Menschen ab diesem Zeitpunkt auch der Verzehr von Fleisch erlaubt wird (Gen 9;3).

Somit besteht kein Widerspruch zwischen den Schilderungen der Bibel und der vorgefundenen Wirklichkeit. Diese Realität ist im Gegenteil sogar zu erwarten. Das Paradies hat sich die Menschheit verwirkt und hofft nun wie der Rest der Schöpfung darauf, dass es eines Tages zurückkehrt. Eben genau diese Hoffnung bewahrten die Autoren der Bibel in Bildern wie:

Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. (Jes 11,6)

Selbst die angeblich so rückständigen Menschen, die Jahrhunderte vor Christus lebten, waren sich der Tatsache bewusst, dass die Welt wie sie jetzt ist, nicht das Paradies des Garten Eden ist und die Bibel dies auch an keiner Stelle behauptet. Wollen wir heute diese Erkenntnis negieren und fälschlicherweise so tun, als sei etwas anderes der Fall? Was hätten wir davon?

2.4 Keine Komplexität des Lebens
Wie undifferenziert und einseitig Herr Rohde die Welt betrachtet, kommt vor allem auch in folgender Aussage zum Tragen:

Die Evolution kennt das Konzept der Perfektion ebenso wenig wie das der Komplexität. Beides entsteht erst im Auge des Betrachters.

Während man unter Evolutionstheoretikern wohl tatsächlich wenige finden wird, die von Perfektion sprechen würden, geht es dennoch vollkommen an der Wirklichkeit vorbei, der Natur Komplexität abstreiten zu wollen. Ein Streit, der seit vielen Jahren zwischen Evolutionsanhängern und Intelligent Design Theoretikern schwelt, geht um die Frage, ob die Komplexität, die wir in der Natur vorfinden irreduzibel ist oder nicht (vgl. zu einer Darstellung des Arguments [4]), doch dass die Natur unabhängig von dieser Diskussion sicher nicht einfach gestrickt oder einfach sei, ist ein ganz anderer Punkt. Obwohl darüber gestritten wird, ob z.B. das Blutgerinnungssystem des Menschen ([4], S.74-98) in einem Schritt hätte entstehen müssen oder auch über einzelne Zwischenstufen hätte laufen können, so ändert es nichts an der Tatsache, dass es sich um ein extrem komplexes System handelt, bei dem verschiedene Teile abgestimmt aufeinander miteinander kooperieren müssen. Wenn die Systeme, die wir in der Natur vorfinden, wirklich nur Flickenschusterei und voller Fehler sind, wieso gibt es dann ganze Forschungszweige, die versuchen diverse Eigenschaften der Lebewesen auch nur mit annäherndem Funktionsumfang zu kopieren? Warum haben wir bis heute z.B. keinen Datenspeicher, der eine ähnliche hohe Informationsdichte bieten kann die wie DNS? Sicher nicht, weil auf dieser Schiene nicht geforscht werden würde mit dem Argument „Das hat jemand entworfen, der seinen Job miserabel gemacht hat“, sondern weil das ganze System dermaßen kompliziert ist, dass ein einfacher Nachbau selbst mit heutigen technischen Errungenschaften nicht möglich ist. Gleiches gilt für das System der Photosynthese. Viele Dinge, die man noch vor einigen Jahren, als klare Designfehler angeprangert hat, stellen sich bei näherer Untersuchung als das genaue Gegenteil heraus. Von den vielen angeblich rudimentären Organen/Teilen des Menschen, bleiben nach weiterer Forschung nicht mehr allzu viele übrig. Das Steißbein und der Blinddarm seien hier an erster Stelle als Beispiele für geglaubte Funktionslosigkeit genannt. Der Versuch die Natur also im Sinne der eigenen Ideologie Simplifizieren zu wollen, muss daher scheitern. Dass etwas nicht perfekt ist (wobei hierbei immer noch im Umkehrschluss gezeigt werden muss, wie es besser oder gar optimal ginge), kann andererseits ebenfalls mittels Zerfall ehemals besserer Systeme erklärt werden. Denn auch hier behauptet die Bibel nicht, dass noch alles so sei, wie es zum Zeitpunkt der Schöpfung gewesen ist.
Dies gilt in analoger Weise für das Erbgut. Die auftretenden, genetisch bedingten Krankheiten wird ebenfalls niemand leugnen. Die Frage ist nur woher sie kommen und ob sie ursprünglich sind. Dies wird zwar von einigen Genen einer Bakterie behauptet, doch es fehlt jeglicher Literaturverweis, um derartiges nachprüfen zu können. Somit kann dies nicht näher diskutiert werden, denn ein entsprechender wissenschaftlicher Artikel, ist dem Autor dieses Textes nicht bekannt. Allerdings wird niemand behaupten können, dass z.B. die genetischen Ursachen für das Lesch-Nyhan-Syndrom bereits in der ersten Zelle vorhanden gewesen seien. Wie bei vielen anderen Missbildungen reichen wenige (oder gar eine einzige) Mutation im Ergut aus, um ein Lebewesen gesundheitlich massiv zu schädigen. Auch das bestreitet niemand. Doch auch hier gilt: Auch genetische Fehlfunktion ist eine Zerfallserscheinung. Rohde widerlegt sich hier dagegen selbst: Das komplette Vererbungssystem ist so komplex, dass bereits eine einzige Mutationen in Millionen von Basenpaaren ausreicht, um für das Lebewesen letal zu sein. Die Beschreibung des Syndroms fällt wie bei den Schlupfwespen sehr ausführlich aus, mit der selben rhetorischen Absicht: Schildere etwas Schreckliches -> Bringe es mit der Bibel in Verbindung -> Hoffe darauf, dass beim Leser die gedankliche Verknüpfung: „Bibel = schrecklich“ entsteht. Dieses Vorgehen ist natürlich sehr fraglich, vor allem aus der Sicht der Betroffenen des Lesch-Nyhan-Syndroms gesehen. Sicherlich ist es auf der einen Seite begrüßenswert über diese kaum bekannte Krankheit zu informieren, der Kontext und die Absicht mit der dies geschieht ist dagegen unangemessen. Wie mag sich wohl nach dem Lesen des Briefes eine Christin fühlen, die vom Lesch-Nyhan-Syndrom betroffen ist?

2.5 Gebt den Menschen Allmacht!
Liest man dann Aussagen wie:

Ist es nicht bemerkenswert, dass Menschen zu Ihren Kindern weit gütiger und liebenswerter sein können als der biblische Jahwe? Ist es nicht bemerkenswert, dass Menschen – wenn sie allmächtig wären – die Welt humaner, gerechter und freudvoller gestaltet hätten als der biblische Jahwe?

fühlt man sich beinahe wie in einen falschen Film versetzt. Aber genau hieran zeigt sich auch, wie gefährlich es für die Menschheit ist, die Aussagen der Bibel zu ignorieren und sich ein eigenes, neues Weltbild zu erschaffen. Man denke nur einmal zurück, wie viele schlechte Taten gerade die mächtigsten Menschen der Welt begangen haben, seien dies ein Josef Stalin, ein Kim Jong-il, ein Adolf Hitler oder ein Saddam Hussein. Stets zeigte sich in diesen Menschen am deutlichsten, was die Bibel lehrt: Der Mensch ist schwach, jeder Mensch ist Sünder. Viel realistischer als diese Vision seitens Norbert Rohde sind daher das Alte und das Neue Testament. Selbst die großen Könige David und Salomo waren voll von Fehlern und charakterlichen Schwächen, welche die Bibel schonungslos offen legt. Mose selbst war ein Mörder und Petrus verleugnete Jesus mehrfach und floh, wie die anderen Jünger außer Johannes, von Feigheit ergriffen vor der Kreuzigung. Die Bibel hat hier also ein deutlich wirklichkeitsgetreueres Bild des Menschengeschlechtes als viele unserer „aufgeklärten“ Zeitgenossen. Es kann daher nur festgehalten werden: „GOTT SEI DANK, gibt es keinen allmächtigen Menschen“, denn dann wäre das Ende nicht mehr weit.
Die Aussage im letzten Absatz des Briefes, dass Gott sich keine perfekte Welt vorstellen könne, der Mensch dagegen schon, bläst ins selbe Horn. Dabei wird das biblische Weltbild aber, wie in dem Brief so oft, schlicht auf den einfach auf den Kopf gedreht, indem biblische Schöpfung, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einen Topf geworfen und kräftig umgerührt werden. Dass das daraus resultierende Ergebnis nicht wirklich genießbar sein wird, versteht sich dagegen von Vornherein von selbst.

3. Fazit
Was bleibt nun am Ende noch zu sagen? Wohl nicht wirklich viel. Der Brief zeigt wohl vor allem, wie sich der Mensch eine eigene Phantasiewelt kreieren kann, die irgendwann mit der Wirklichkeit verschmilzt, ohne dass er diese Verschmelzung realisiert. Wenn eine der Aussagen des so genannten „Neuen Atheismus“ wirklich ist, dass ein allmächtiger Mensch die Lösung für die Probleme der Welt ist, dann bin ich nur ein weiteres dafür dankbar Christ sein zu dürfen.
Ich hoffe, dass mit dem Brief nun auch endlich ein nicht langweiliger Text den Weg auf meine unbekannte Homepage gefunden hat.

Quellen
[1] http://www.zeit.de/2011/14/Interview-Bedford-Strohm
[2] http://www.kirchengemeinde-neuweiler.de/fileadmin/mediapool/gemeinden/KG_neuweiler/Biblische_Grundlagen_zur_Bewahrung_der_Schoepfung_und_zum_Klimaschutz.pdf
[3] http://www.theismus.de/?p=36
[4] Michael Behe, Darwins Black Box, 1996