Der unhistorische Karfreitag Teil 4

Einleitung
Nach bereits drei Blog-Beiträgen ([1][2][3]) zu einem bibelkritischen Leitartikel in unserer Zeitung Main Echo und diversen Leserbriefen dazu, möchte ich heute einen weiteren anfügen, der sich mit einem Leserbrief eines Herrn Breitenbach zu diesem Thema beschäftigt. Erstaunlich und auch traurig ist, dass er in Sachen Qualität der Argumente praktisch alles bisher Dagewesene unterbietet, auch wenn der Brief vorgibt einen Fakt nach dem anderen aufzuzählen der die Bibel zum „Märchenbuch“ machen soll. Wie immer zuerst der Brief:

Ich werde mich im Folgenden von Punkt zu Punkt hangeln und aufzeigen wie wenig haltbar Breitenbachs Thesen sind.

Die Behauptungen im Einzelnen

So soll Jesus ans Kreuz geschlagen worden und auch am Kreuz gestorben sein. Um einem Nagel und auch eine Schraube herstellen zu können, bedarf es als Vormaterial einen Draht. Zu der Zeit Jesus war man noch nicht in der Lage einen Draht herzustellen.
(O.H. Breitenbach)

Nach dieser Behauptung hätte es also zu Zeiten Jesu keine Nägel geben dürfen? Dass diese Annahme falsch ist, belegen unzählige Funde von Nägeln in der Antike. Natürlich wurden sie nicht wie heute hergestellt, sondern sie wurden geschmiedet, was aber nichts an ihrer Existenz ändert. Aber auch Draht kannte man natürlich. Schon im Alten Ägypten wurden Drähte aus Gold zur Schmuckherstellung genutzt und die Schuppenpanzer der Römer wurden durch Draht und Lederriemen zusammen gehalten.

Außerdem hätte man Sparrennägel gebraucht. Der Stahl wurde erst im Jahre 1855 erfunden.
(O.H. Breitenbach)

Hier möchte jemand anscheinend die Menschheitsgeschichte umschreiben. Korrekt ist, dass in den 1850er Jahren Henry Bessemer ein nach ihm benanntes Verfahren zur Stahlgewinnung präsentierte. Der resultierende Stahl war qualitativ hochwertig, aber die Hauptneuerung war, dass dieses Verfahren sehr kosteneffizient war. Stahl gibt es natürlich schon viel länger. Ein besonders imposantes Beispiel sind die sogenannten Ulfberth-Schwerter aus dem 8. Jahrhundert. Edge und Williams geben für die Klinge eines Exemplars als mittleren Wert auf der Vickers Härteskala 467 VPH an [EdA03]. Einige Bereiche erreichen eine Härte von 540 VPH. Zum Vergleich: Moderner Stahl liegt im Bereich von 500-540 VPH. Somit besitzen die 1200 Jahre alten Klingen eine selbst an heutigen Verhältnissen gemessene sehr gute Stahlqualität und das obwohl laut Breitenbach Stahl erst über 1000 Jahre später erstmalig hergestellt wurde.

Ein Nagel aus Roheisen wäre sofort krumm geworden.
(O.H. Breitenbach)

Es sei also nicht möglich mit einem Eisennagel jemanden zu kreuzigen, da dieser zu weich sei und krumm würde? Auch diese Aussage ist falsch und wird durch einen archäologischen Fund eindeutig widerlegt. Bereits 1968 fand man in Givat HaMivtar, welches gerade einmal 2,8 km von Jesu Hinrichtungsstätte entfernt in Jerusalem liegt, die Gebeine eines gewissen Jehohanan, der in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus starb. Die Todesart: Kreuzigung. Dazu der Entdecker der Knochen Vassilio Tzaferis:

This is undoubtedly a case of crucifixion. [Tza70]
[Hier liegt unzweifelhaft ein Fall von Kreuzigung vor.]

Durch die erhaltenen Fersenknochen ist ein Eisennagel getrieben, der sie vollständig durchdringt und so fest sitzt, dass er bei der Bestattung nicht gezogen wurde [Haa70]. Die Beine von Jehohanan wurden mit jeweils einem derartigen Nagel links und rechts an den Kreuzesstamm genagelt [ZiS85]. Sie waren hart genug um durch massive menschlichen Knochen zu dringen! Das Holz in das sie geschlagen wurden war dagegen weich. Die Römer konnten mangels Verfügbarkeit keinen massiven Eichenstamm oder vergleichbares benutzen, sondern lokal verfügbare Bäume wie Zeder, Pinie oder Zypresse.

Wie wollte man die Nägel wieder herausziehen, wo es weder eine Zange noch einen Geißfuß gegeben hat?
(O.H. Breitenbach)

Zangen und andere Werkzeuge sind so alt wie die Metallbearbeitung selbst (siehe z.B. [Pra48], [Wil74]), reichen also bis zu den Ägyptern zurück und waren somit natürlich den Römern bekannt. Auch die generelle Funktionsweise der Hebelgesetze war den Menschen schon immer bewusst. Somit stellte es kein Problem dar einen Nagel aus weichem Holz zu bekommen. Bei Jehohanan wurde es erwiesenermaßen auch fertig gebracht.

Warum findet man in einem alten Fachwerkhaus das 400 oder 500 Jahre alt ist, keinen Stahlnagel, sondern nur Holznägel?
(O.H. Breitenbach)

Warum findet man in einem 400 Jahre alten Kuhstall keine Schornsteine? Weil sie weder funktional noch aus architektonischen Gründen benötigt wurden und unnötig teuer und aufwändig gewesen wären. Gab es deshalb keine Schornsteine? Ebenso verhält es sich mit den Stahlnägeln.

Ich bin vielmehr der Meinung, dass Jesus ermordet und tot ans Kreuz gebunden wurde – zur Abschreckung.
(O.H. Breitenbach)

Gut, ein persönlicher Glaube von Herrn Breitenbach, der allerdings durch keinerlei Indizien gestützt wird. Eine derartige Praxis widerspricht auch vollkommen der Praxis der Römer. Die Abschreckung in der Kreuzigung bestand nicht darin, dass man seine Gegner nur getötet hat. Dann hätte man ihnen schnell mit Schwert oder Axt den Kopf vom Rumpf getrennt und sich die Zeit und Aufwand der Kreuzigung gespart. Die Abschreckung bestand darin, dass jeder sehen konnte wie qualvoll die Verurteilten am Kreuz langsam starben. Es soll etliche Leute geben, die den Tod aus verschiedenen Gründen nicht fürchten. Die Anzahl derer, die tagelange schlimmste Qualen vor ihrem unweigerlichen Tod nicht erschrecken, dürfte dagegen deutlich geringer sein.

Jesus war ein Wanderprediger und ein Revoluzzer. So hat er sich im Tempel mit den sogenannten Geldwechslern angelegt und die Tische umgetreten. Die Geldwechsler haben sich natürlich im Hause Herodes über Jesus beschwert. Schließlich mussten diese Steuern und Abgaben an das Haus Herodes zahlen. Somit war das Schicksal von Jesus besiegelt.
(O.H. Breitenbach)

Hier begegnet uns nun die uralte Geschichte von Jesus als sozialem Revoluzzer. Außer der Episode von Jesus im Tempel, gibt es für diese Aussage allerdings keine Begründung im Leserbrief und auch ansonsten von Religionskritikern allgemein. Nach übereinstimmendem Zeugnis der Evangelisten (Mt. 21,12; Mk. 11,15; Joh. 2,14) stieß Jesus die Tische übrigens um, während Herr Breitenbach ein Umtreten erfindet. Jesus ging es keineswegs um soziale Strukturen oder die Regierung. Religion und Staat trennte er (Mt. 22,21; Mk. 12,17; Lk. 20,25). Auch dass er stets nur mit den religiösen Führern aneinander geriet (z.B. Mt. 12,2ff; Mt. 22,45f; Mt. 23,13 u.v.a.) zeigt, dass sein Ziel ein ganz anderes war.

Auch die Verheißung der Geburt Jesus durch den Engel des Herrn ist doch sehr fraglich. Wo hat man nun diesen Engel des Herrn hergenommen? Hat man da erst den Herrn und dann den Engel erfunden oder umgekehrt?
(O.H. Breitenbach)

Der Engel des Herrn taucht schon im Pentateuch (z.b. 1. Mo. 16,7; 2. Mo 2,3) über 30 mal auf. Er erscheint auch in den folgenden Geschichtsbüchern der Richter (z.B. Ri. 2,1), Könige (z.B. 1. Kön. 13,38) und der Chronik (z.B. 1. Chr. 21,16) nochmals über 30 mal. Ebenso in den Psalmen (z.B. Ps. 34,8) und auch bei den Propheten (z.B. Dan. 3,49; Sach. 1,11). Die Berichte über ihn reichen also mehrere tausend Jahre vor Jesus in die Vergangenheit. Die Evangelisten mussten somit nichts erfinden. Oder im Umkehrschluss: In Anbetracht der Wichtigkeit der Engel in der Geschichte Israels wäre es seltsam und unwahrscheinlich gewesen, dass sie nicht im Zusammenhang mit Jesus aufgetaucht wären.

Jesus soll sich vierzig Tage und vierzig Nächte in der Wüste aufgehalten haben, um zu fasten und zu beten. Angeblich soll er sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt haben. Seit wann gibt es in der Wüste Heu? Kein Insekt hält sich in einer Gegend auf, wo es nichts zu fressen gibt.
(O.H. Breitenbach)

Ich bin ein Freund der Vorgehensweise, dass man sich erst informiert, bevor man etwas kritisiert. Hier liegt ein weiteres Beispiel vor, dass Herr Breitenbach dies nicht getan hat. Dass Jesus von Heuschrecken und Honig gelebt habe, steht im Neuen Testament nirgendwo. Lukas (Lk. 4,2) sagt dagegen explizit, dass Jesus nichts aß, was auch Matthäus (Mt. 4,2) nahelegt. Herr Breitenbach verwechselt Jesus hier mit Johannes dem Täufer (Mt. 3,4; Mk. 1,6). Dieser bewegte sich unter der Bevölkerung Israels um dort zu predigen und konnte sich somit in den Dörfern mit Honig, Heuschrecken und allem sonst Nötigen versorgen. Des Weiteren halten sich Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria) bei ihren Wanderbewegungen teilweise auch längerfristig in den Wüsten um Israel auf, so dass Herr Breitenbach nicht einmal dann richtig gelegen hätte, wenn seine selbst komponierte Bibelversion korrekt gewesen wäre.

Fazit
Wie bereits in der Einleitung gesagt, ist Herrn Breitenbachs Brief mit das Schlechteste was es zu diesem Thema zu lesen gibt. Es werden Behauptungen als Fakten dargestellt, die schon bei oberflächlicher Überprüfung in sich zusammen fallen. Sein Hauptangriffsziel, die Bibel, kennt er anscheinend nur vom Hörensagen, denn seine Aussagen dazu beweisen eine weitgehende Unkenntnis bezüglich deren Inhalt. Sein Leserbrief enthält in wenigen Sätzen mehr Märchen als ein Buch der Gebrüder Grimm, die er grundloser Weise zum Vergleich mit dem Neuen Testament heran zieht.

Literatur

  • [EdA03] Edge, David, and Alan Williams. „Some early medieval swords in the Wallace Collection and elsewhere.“ Gladius 23 (2003): 191-209.
  • [Haa70] Haas, Nicu. „Anthropological observations on the skeletal remains from Giv’at ha-Mivtar.“ Israel Exploration Journal (1970): 38-59.
  • [Pra48] Praus, Alexis A. „Mechanical principles involved in primitive tools and those of the machine age.“ Isis 38.3/4 (1948): 157-160.
  • [Tza70] Tzaferis, Vassilios. „Jewish tombs at and near Giv’at ha-Mivtar, Jerusalem.“ Israel Exploration Journal (1970): 18-32
  • [Wil74] Williams, E. „Hooke’s Law and the Concept of the Elastic Limit.“ Annals of Science 12.1 (1956): 74-83.
  • [ZiS85] Zias, Joseph, and Eliezer Sekeles. „The crucified man from Giv’at ha-Mivtar: a reappraisal.“ Israel Exploration Journal (1985): 22-27.

Der unhistorische Karfreitag Teil 3

In meinem ursprünglichen Artikel zu diesem Themenblock schrieb ich über einen Artikel in unserer Lokalzeitung, die mit fragwürdigen Aussagen gegen die Wahrheit der Passionsgeschichte argumentierte und veröffentlichte in dem verlinkten Artikel meinen Leserbrief, den ich zu diesem Artikel an die Zeitung sendete. In einem zweiten Teil zeigte und kommentierte ich zwei weitere Leserbriefe zu diesem Artikel, die sich ebenfalls gegen die Historizität des Karfreitagsgeschehens aussprechen. Mittlerweile erschien ein weiterer Brief von Helmut Lurz, der ebenfalls in diese Kerbe schlägt. Hier der Brief:

Leserbrief

Stelle ich im zweiten Teil für den Leserbrief von Herrn Posert noch fest, dass dessen Argumentation lediglich auf einem schwachen (und in diesem Fall nicht einmal anwendbaren) argumentum ex silentio basiert, so sieht es hier im Fall von Herrn Lurz noch deutlich düsterer aus. Denn das einzige „Argument“ das gebracht wird ist: Weil durch Jesu Passion etliche Prophezeiungen aus dem Alten Testament erfüllt wurden, musste die Geschichte durch die Evangelisten so geschrieben bzw. sogar erfunden werden, damit diese Prophezeiungen erfüllt werden. Es ginge den Evangelisten nicht um die Beschreibung dessen was wirklich passiert ist, sondern nur darum die Voraussagen als erfüllt heraus zu stellen.
Oder anders formuliert: Was nicht sein darf, kann nicht sein. Die Möglichkeit, dass die Evangelien von erfüllten Prophezeiungen berichten, weil die in ihnen erzählten Geschehnisse alttestamentarische Prophetien erfüllen, wird aufgrund weltanschaulicher Voreingenommenheit anscheinend kategorisch ausgeschlossen. Somit erkennt man: Es liegt nicht einmal ein Argument vor, sondern lediglich die Postulierung einer persönlichen Weltsicht. Dies sei Herrn Lurz natürlich gegönnt, allerdings sollte man sich dessen sowohl als Leser als auch als Schreiber des Briefes bewusst sein. Dennoch verwundert die Auswahl der Stellen aus dem Alten Testament.

Zum einen, dass Jesus nicht alleine gekreuzigt werden durfte, um die Schrift zu erfüllen. Da die Kreuzigung eine öffentliche Hinrichtungsmethode zur Abschreckung von Nachahmern war, wurden selten einzelne Personen gekreuzigt. Stattdessen wurden Kreuzigungen mit mehreren Verurteilten durchgeführt um den Abschreckungsfaktor zu vergrößern. Somit wäre es, wenn überhaupt, etwas Besonderes oder zumindest Auffälliges gewesen, wenn Jesus alleine gekreuzigt worden wäre, aber nicht, wenn andere mit ihm starben.

Noch interessanter ist der Einwand von Herr Lurz: „[Es] mussten die Mitgekreuzigten Verbrecher sein [um die Prophezeiung zu erfüllen und daher haben die Evangelisten sie zu Verbrechern gemacht.]“ Nur: Was hätten sie denn sonst sein sollen? Wohl kaum unbescholtene Bürger oder Freiwillige, die einmal eine Kreuzigung ausprobieren wollten. Auch soweit also nichts, was gegen die Wahrheit der Evangelien ins Feld geführt werden könnte.

Nehmen wir uns als nächstes das Johanneszitat

Und wiederum sagt eine andere Schrift: »Sie werden den ansehen, welchen sie durchstochen haben«. (Johannes 19,37)

vor. Johannes spricht hier von einem Vers aus dem Buch Sacharja in dem es heißt:

Doch über das Haus David und über die Einwohner Jerusalems werde ich einen Geist des Mitleids und des flehentlichen Bittens ausgießen. Und sie werden auf mich blicken, auf ihn, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie bei der Klage um den Einzigen; sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint. (Sacharja 12,10)

Wurde also erfunden, dass Jesus von einer Lanze in die Seite gestochen wurde, damit sich dieses Wort erfüllt? Auch hier lässt sich feststellen, dass es zur normalen Hinrichtungspraxis der Römer gehörte, dass den (vermeintlich) Toten am Kreuz zur Sicherheit mit dem Pilum (der Standardspeer römischer Soldaten) in den Bauch gestochen wurde, um sicherzustellen, dass der Verurteile auch wirklich tot war. Schließlich „hafteten“ die Soldaten selbst mit ihrem Leben für den Hinrichtungserfolg. Deshalb lässt sich auch hier sagen, dass es viel wahrscheinlicher ist, dass es sich so abgespielt hat, als dem Evangelisten eine Lüge vorzuwerfen nur weil das Alten Testament den Text von Sacharja 14 enthält.

Zu guter Letzt nun wird in Johannes 19 aus einem Psalm wiedergegeben:

Er bewahrt ihm alle seine Gebeine, dass nicht eines von ihnen zerbrochen wird. (Ps. 34,21)

Herr Lurz zieht daraus die Folgerung, dass Jesu Tod einfach so umgeschrieben werden musste, dass er schnell starb. Dazu habe ich allerdings in meinem Leserbrief ausführlich Stellung bezogen und begründet, dass uns die Evangelien genügend Indizien dafür liefern, dass ein schneller Tod nicht unwahrscheinlich oder gar unmöglich gewesen ist. Leider wiederholt Herr Lurz diese nicht tragfähige Behauptung des Main-Echos einfach. Somit spricht auch hier nichts dagegen, dass die Erfüllung von Psalm 34,21 deshalb im Evangelium erwähnt wird, weil sie sich wirklich zugetragen hat. Vor allem, da dass Zerschlagen der Beine ebenfalls zur Hinrichtungspraxis der Römer gehörte, wenn ein schneller und qualvoller Tod eintreten sollte.

Nach diesen vier Punkten stellt Herr Lurz noch in Frage, ob man die Beschreibung des Gottesknechtes überhaupt auf die Passion übertragen kann, da Jesus davon ausginge, dass mit seinem Tod direkt das Endreich hereinbrechen werde. Die Behauptung, dass dies Jesus Überzeugung gewesen sei, findet sich vor allem bei vielen Religionskritikern (z.B. Heinz-Werner Kubitza, Karl-Heinz Deschner) und anderen, aber auch historisch-kritischen Theologen wie Rudolf Bultmann. Sie basiert primär darauf, dass man die Aussagen der Evangelien grundsätzlich als unhistorisch in Frage stellt und dann mit selbst-definierten Kriterien versucht, den historischen Jesus heraus zu filtern. Dies kann an dieser Stelle nicht erschöpfend diskutiert werden.
Zugute halten muss man Herrn Lurz, dass er selbst nur von höchstwahrscheinlich spricht. Denn ein Faktum liegt hier nicht vor. Was aber viel entscheidender ist: Selbst wenn die Aussage korrekt wäre und Jesus nicht direkt auf die Kreuzigung hingelebt hätte, sondern vom nahen Gottesreich ausging, so würde dies weder gegen die Erfüllung der oben genannten Prophezeiungen noch gegen die Beschreibung der Passion in den Evangelien an sich sprechen.

Der unhistorische Karfreitag Teil 2

Im lokalen Main Echo erschienen am 20. April zwei Leserbriefe, die auf die Leserbriefe Bezug nehmen, welche die Argumentation der Zeitung gegen die Glaubwürdigkeit der Karfreitagsereignisse kritisierten. Über meinen Leserbrief zu diesem Thema schrieb ich kürzlich. Auch wenn mein Name in diesen beiden Leserbriefen nicht genannt wird, fühle ich mich daher von den beiden Briefen angesprochen.

Der erste Brief

Hier nun zuerst der Inhalt des ersten Leserbriefes von Herrn Hartmut Posert:

Leserbrief 1

Diskussion des Briefs

Der Leserbriefbeschreiber beschwert sich darüber, dass in den vorigen Leserbriefen keine Begründungen für das Gesagte gegeben wären. Er selbst nutzt dagegen fast die Hälfte seines Briefes für den unpassenden Vergleich mit dem Osterhasen, dem Nikolaus und dem Christkind (sowie fiktiven Reaktionen von Eltern und Erziehern), der nichts zum eigentlichen Thema beiträgt.
Das einzige wirkliche Argument, das sich in obigem Leserbrief findet, bezieht sich auf zwei Sätze aus einer Predigt, die der Apostel Paulus laut der Apostelgeschichte (Apg. 13,29f) in der Synagoge von Pisidien hielt. Daraus wird im Leserbrief zitiert:

Als sie (die römischen Soldaten) alles vollbracht hatten, was in der Schrift über ihn gesagt ist, nahmen sie ihn vom Kreuzesholz und legten ihn ins Grab. Gott aber hat ihn von den Toten auferweckt.

Hier sei vorerst angemerkt, dass die Gleichsetzung: „Als sie (die römischen Soldaten) (…)“ im Leserbrief falsch ist, denn der Kontext des Textes sagt klar: „Sie = die Einwohner von Jerusalem und ihre Führer“. Bereits das erste Indiz, dass bei der Zitierung selektiv vorgegangen wurde. Hiermit bestätigt Paulus übrigens indirekt die Aussagen der Evangelien über den Ablauf der Verurteilung Jesu.

Aus obigem Zitat wird von Herrn Posert abgeleitet, dass Paulus weder von einem leeren Felsengrab, einer Auferweckung nach drei Tagen noch von Erscheinungen Jesu vor Petrus und den Frauen wisse. Das neue Felsengrab, in dem noch niemand bestattet worden war (vgl. Lk. 23,53) sei somit eine schöne Erfindung der Evangelisten und eine Fiktion.

Allerdings basiert hierbei alles auf einem argumentum ex silentio, sprich: Was in einer Quelle nicht gesagt wurde, hat es nicht gegeben. Dieser Typ von Argument ist per se schwach und wird in der historischen Forschung nur als plausibel angesehen, wenn das Beschriebene dicht erzählt wird und dennoch vermeintlich Wichtiges dabei nicht erwähnt. Betrachtet man nun den Kontext von Apg. 13,29f wird offensichtlich, dass Paulus in seiner kurzen Predigt eine Zusammenfassung der Geschichte des Volkes Israel von der Zeit des Exodus, über die Landnahme, die Zeit der Richter und Könige bis hin zu Tod und Auferstehung Jesu gibt. Ein Zeitrahmen von über 1000 Jahren in lediglich 15 Versen. Kann somit von einem dichten Bericht die Rede sein? Sicherlich nicht. Würde man hierin die Erwähnung von Details erwarten? Ebenfalls nicht. Somit besitzt das argumentum ex silentio hier keinerlei Tragfähigkeit. An dieser Stelle ist es für Paulus‘ Predigt auch vollkommen ohne Belang in welchem Grab und wie Jesus genau bestattet wurde.

Ebenso gibt es keinen Grund anzunehmen Paulus habe nicht um die Auferstehung in drei Tagen gewusst. Denn diese bestätigt schon Petrus in der Apostelgeschichte (Apg. 10,40) und Paulus wirkte am Anfang seinen Dienst zusammen mit den Aposteln in Jerusalem selbst (Apg. 9,27f). Er hatte also Informationen aus erster Hand. Hinzu kommt, dass Paulus zusammen mit Barnabas unterwegs war (Apg. 12,25), der einer der ersten war, die den Aposteln nachfolgten (Apg. 4,36) und von ihnen unterrichtet wurde. Also besagt sogar dieselbe Quelle, auf dich sich Herr Posert beruft, dass die drei Tage bereits in der frühesten Zeit der Urgemeinde allgemein bekannt waren.

Außerdem unterschlägt der Leserbriefschreiber den auf sein Zitat direkt folgenden Vers:

31 und er ist viele Tage hindurch denen erschienen, die mit ihm zusammen von Galiläa nach Jerusalem hinaufgezogen waren und die jetzt vor dem Volk seine Zeugen sind.

Hier wird direkt bestätigt, dass Paulus um die Erscheinungen vor Petrus weiß, vor allem, wenn man dessen Rolle unter denen bedenkt, die jetzt vor dem Volk seine Zeugen sind und die auch in der Apostelgeschichte ausgiebig thematisiert wird. Auch hier hat er keinen Grund weiter in Details zu gehen, da sie im Kontext der Predigt unerheblich sind.

Was ist von der Aussage zu halten die Auferstehung am dritten Tag sei eine deutlich spätere Erfindung der Evangelisten? Dass das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte aus einer Hand stammen ist unbestritten, wobei das Evangelium vor der Apostelgeschichte entstand und den dritten Tag mehrfach explizit erwähnt. Wenn die Evangelisten tatsächlich solche großen Fälscher gewesen wären und Paulus‘ Predigt damals wirklich so interpretiert worden wäre, dass man daraus den Schluss hätte ziehen können, er wisse nicht um die Auferstehung am dritten Tag, hätte man dann nicht einfach den Wortlaut seiner Predigt bei der Niederschrift leicht verändert? Korinther 15,4 zeigt des Weiteren unzweifelhaft, dass Paulus schon vom dritten Tag wusste bevor die Evangelien weite Verbreitung fanden. Generell liegt hier ein sehr schönes Beispiel von Bibelkritik mittels out-of-context Zitaten vor, wie sie leider häufig und gerne betrieben wird.

Ein weiteres Argument

In einem persönlichen Schreiben sendete mir Herr Posert indirekt ein weiteres Argument für die Unglaubwürdigkeit der Evangelien. So widersprächen sich diese im Ort der Himmelfahrt. Doch ist dies korrekt? Lukas 24,50 ist dabei relativ konkret und schreibt:

Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Betanien (Lk 24,50).

Das zweite Evangelium, welches die Himmelfahrt erwähnt, ist Markus. Dort heißt es:

Später erschien Jesus den Elf selbst, als sie bei Tisch waren; er tadelte ihren Unglauben und ihre Verstocktheit, weil sie denen nicht glaubten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten. (Mk 14)

Darauf folgen seine Anweisungen an die Jünger und schließlich:

Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. (Markus 16,19)

Das Mahl hielten die Jünger in Jerusalem. Sie waren in einem Gebäude. Dass eine Himmelfahrt bzw. eine Aufnahme in den Himmel dagegen im Freien stattfindet, lässt vermuten, dass zwischen Vers 14 und 19 ein Ortswechsel stattfand. Betanien liegt lediglich rund zwei Kilometer von Jerusalem entfernt und der Weg führt über den Ölberg, einen Ort den Jesus sehr schätzte. Eine Harmonisierung der beiden Berichte ist somit keineswegs unmöglich, vor allem wenn wir uns vor Augen halten, dass die Antike Geschichtsschreibung bezüglich Orts- und Zeitangaben anderen Regeln folgte als unsere heutige Geschichtswissenschaft.

Der zweite Brief

Hier außerdem der zweite Brief:

Der zweite Leserbrief bleibt frei von Argumenten. Stattdessen strotzt er von Kritik ad hominem und Pauschalisierungen. Wer Drewermann und Küng nicht als Wahrheit anerkennt ist „dogmatisch fixiert“, die Quellen „fragwürdig“ und bloßer Glaube ist „Naivität“. Dagegen ist die andere Seite „modern“ und „seriös“. Angebliche Widersprüche zwischen Lukas und Paulus oder Fehlübersetzungen werden keine aufgeführt. Auch wäre interessant zu wissen, welche Antiken Quellen uns im Original vorliegen.

Der unhistorische Karfreitag

In unserer Lokalzeitung, dem Main Echo, erschien am 28.03.2018 (Mittwoch vor Karfreitag) folgender Beitrag (zum lesen Anklicken):

Dabei wird mit unbelegten Behauptungen und nicht tragfähigen Argumenten versucht, die Historizität der Passionsgeschichte zu verneinen und den Sinn des Karfreitags für den Menschen von heute umzudeuten. Dem widersprach ich in einem Leserbrief, der am 11. April veröffentlicht wurde. Hier die gedruckte Fassung (zum Lesen anklicken):

Die veröffentlichten Leserbriefe sind leider auf ca. 2000 Zeichen limitiert, so dass mein ursprünglicher Leserbrief gekürzt werden musste. Diesen habe ich daher im Folgenden in voller Länge angefügt.

Ist es sinnvoll in einem Beitrag gegen „wilde Theorien“ selbst derartige aufzustellen? Kaum, weshalb ich die inhaltlichen Fehler korrigieren möchte.

Zunächst ist es nicht unwahrscheinlich, dass Jesus einige Stunden nach der Kreuzigung starb. Er ist bereits physisch als auch psychisch stark geschwächt. Die Getsemani-Episode (Lk. 22,44) verdeutlicht die seelische Belastung. Er wurde bereits während des Verhörs vor dem Hohepriester körperlich misshandelt (Mk. 14,65; LK 22,63f). Die anschließende Geißelung mit dem Flagrum sorgte für hohen Blutverlust, vor allem, wenn die Anzahl der Schläge nicht begrenzt war. Man reichte den Verurteilten zum Ausgleich des Flüssigkeitshaushaltes und zur Verlängerung ihres Lebens etwas zu trinken, was Jesus ablehnt (Mk. 15,23). Anschließend misshandelten ihn Römische Soldaten abermals (Mk. 15,16f). Dass Jesus an der Grenze der körperlichen Belastbarkeit stand, wird dadurch verdeutlicht, dass Simon sein patibulum (den Querbalken) tragen musste (Mk. 15,21; Lk. 23,26). Sollte der Tod möglichst lange hinausgezögert werden, fesselte man die Verurteilten ans Kreuz. Jesus aber wurde angeschlagen. Dass man aufgrund des nahenden Hochfestes kein Interesse am langen Weiterleben der Gekreuzigten hatte, wird ausdrücklich gesagt, da man sie vor Beginn des Festes abhängen wollte (Joh. 19,31).

Die Beine brach man den Opfern nicht, um sie am Weglaufen zu hindern. Wie sollte jemand weglaufen, dem starke Nägel durch Hand- und Fußwurzelknochen in massives Holz getrieben wurden und der unter Bewachung stand? Man brach sie, um ein Abstützen des Opfers zu verhindern, welches das Atmen erleichtert. Somit beschleunigte man den Tod, machte ihn aber nochmals schmerzhafter. Daher wurden auch die Soldaten zu Jesus geschickt (Joh. 19,31f).

Gerade weil die Toten normalerweise für Aasfresser hängen blieben und nicht ehrenvoll nach jüdischem Gesetz begraben wurden, wird in allen Evangelien herausgestellt, dass ein Mann mit hoher Stellung um den Leichnam bittet, diese Bitte auch tatsächlich gewährt bekommt (Mk. 15,42f; Joh. 19,38f) und ihn gesalbt, in Leinen gewickelt in einem neuen Felsengrab beisetzt (Lk. 23,53, Joh. 19,38-41). Dies spricht für die Glaubwürdigkeit des Berichtes, nicht dagegen.

Markus (Mk. 16,9), Matthäus (Mt. 28,9) und Johannes (Joh. 20,14f) bestätigen alle, dass Jesus zuerst den Frauen erschien. Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass Frauen zu dieser Zeit nicht einmal das Recht hatten als Zeuge vor Gericht aufzutreten! Selbst Paulus, der nicht gerade für Lobeshymnen auf Frauen bekannt ist, verneint diese Erscheinungen in 1. Kor. 15,4 nicht. Er schreibt lediglich, dass Jesus Petrus erschienen ist, ohne sich darauf zu fixieren, dass dies die erste Erscheinung gewesen sei. Dass er die Frauen einfach nicht erwähnt, passt zu all seinen restlichen Schriften und auch ins Frauenverständnis seiner Zeit.

Die Aussage über die Entstehungszeit der Kreuzigungsberichte („weit nach dem angenommen Zeitraum“) ist so tendenziös wie falsch. Angesprochener Brief an die Korinther, der Kreuzigung, Tod und Auferstehung Jesu als Fakten behandelt (1. Kor. 15,3 – 8), wurde nach Mehrheitsmeinung in den Jahren 50/51 n.Chr. verfasst. Dies sind keine 20 Jahre danach. Das Markusevangelium, welches selbst von der historisch-kritischen Schule auf 68 -72 n.Chr. datiert wird, ist ebenfalls nicht „weit“ entfernt, sondern liegt noch in der Lebensspanne einiger Zeitzeugen. Damit sind sie näher an den Ereignissen, die sie beschreiben, als andere antike Quellen, die sich auch gegenseitig noch stark widersprechen (Hannibals Alpenüberquerung, Biographien Alexanders des Großen).

Der Artikel steckt also so voller tendenziöser und falscher Aussagen, dass es mir teilweise schwer fiel den Brief sachlich zu halten. Somit kann ich durchaus nachvollziehen, dass bei einem anderen Leserbriefschreiber zum gleichen Artikel in derselben Ausgabe der Zeitung die Wortwahl sehr hart ausfällt:

Ein Medienhaus, das auf seiner Titelseite in der Karwoche über die wesentlichste Glaubensaussage der Christenheit berichtet, sollte sich dazu einen Redakteur auswählen, der selbst glaubt und der noch eine Ahnung von dem hat, was Glauben heißt. Der wirklich glaubende Leser erkennt sofort, dass in diesem Artikel willkürlich die verschiedensten Klischees gegen den christlichen Glauben zusammengewürfelt wurden, um den authentischen Glauben massiv anzugreifen.
Das falsche Geplapper fällt jedoch auf das Medienhaus zurück und lässt die antikirchliche Grundhaltung der Redaktion deutlich werden.